Ewigkeit
schwankte und gegen den Außenkäfig stieß. Es machte den Eindruck, als wäre das Gebäude völlig verlassen.
Dann hörte sie, wie irgendwo über ihr eine Tür zufiel, gefolgt von schnellen Schritten, die die Treppe herunterkamen. Die Schritte beschleunigten sich und wurden zu einem Stampfen, als würde jemand zwei bis drei Stufen auf einmal nehmen. Auger sah durch die Metallmaschen des Kabinendachs, wie eine dunkle Gestalt über den Treppenabsatz direkt über ihr lief. Bevor sie rufen konnte, war die Gestalt mit weiten Sätzen die Stufen um den Teil des Schachts, in dem sie festsaß, heruntergesprungen und hatte den nächsttieferen Absatz erreicht, von wo sie ins Erdgeschoss weiterstürmte. Auger hatte sie nur für einen Sekundenbruchteil richtig im Blick gehabt, noch dazu von der Bewegung verwischt, sodass sie das Gesicht nicht hatte erkennen können. Die Gestalt hatte einen Mantel mit hohem Kragen und einen tief ins Gesicht gezogenen Filzhut mit nach unten geklappter Krempe getragen. Einen absurden Moment lang fragte sie sich, ob es Floyd gewesen war, aber noch während ihr der Gedanke kam, verwarf sie ihn als lächerlich.
Einen Augenblick später erwachte der Aufzug surrend zum Leben und nahm die Fahrt wieder auf. Am nächsten Treppenabsatz hielt er, und Auger, die kein Risiko mehr eingehen wollte, öffnete die Tür und ging die restlichen Treppen zu Fuß hinab. Die Dose immer noch fest umschlossen, trat sie erleichtert ins Tageslicht. Irgendwie fühlte sie sich draußen sicherer, so unlogisch das auch sein mochte.
Sie blickte die Rue de Dragon auf und ab, aber der rennende Mann war nirgends zu sehen. Auch sonst fiel ihr nichts Verdächtiges auf. Die Straße war genauso ruhig und verschlafen wie bei ihrer Ankunft, aber ein paar Fußgänger waren unterwegs, und wenn jemand versuchen würde, sie anzugreifen, konnte sie auf ein oder zwei Zeugen aus der Pferdeschlachterei im Erdgeschoss von Floyds Haus rechnen.
Nachdem sie ein Stück die Straße entlanggegangen war, trat Auger in den Eingang eines vernagelten, offenbar seit längerer Zeit geschlossenen Strumpfwarengeschäfts und öffnete die Dose. Darin befand sich, wie Floyd ihr schon im Büro gezeigt hatte, ein Bündel Papiere, das von einem Gummiband zusammengehalten wurde. Sie nahm es heraus und stopfte es in die Handtasche. Da sie die Dose nicht mehr brauchte, steckte sie sie in einen Haufen aus Pappkartons und anderem Müll, der sich in einer Ecke des Türrahmens gesammelt hatte.
Sie trat zurück auf die Straße und ging zum Südende der Rue du Dragon weiter, wobei sie die Rue de Sevres und die sehr viel breitere Durchgangsstraße Rue de Rennes überquerte. Als sie die Kreuzung erreichte, hörte sie das Brummen eines Autos, das irgendwo hinter ihr einsetzte, und als sie nach Norden in die Rue de Rennes einbog, wagte sie einen Blick über die Schulter und sah, wie der Wagen auf dieselbe Straße abbog. Der Wagen fuhr langsam weiter, bis der Fahrersitz in Sicht kam, aber das Sonnenlicht, das sich in der Windschutzscheibe spiegelte, machte es ihr unmöglich, den Fahrer zu erkennen. Auger beschleunigte ihre Schritte, und als sie sich kurz darauf einen weiteren Blick gestattete, war das Auto nirgendwo zu sehen. Aber viele ähnliche Autos parkten am Straßenrand, und es wäre dem Fahrer sicher nicht schwer gefallen, sich darunterzumischen.
Auger ging weiter die Rue de Rennes entlang und hielt gelegentlich inne, um nach einem Taxi zu winken. Aber entweder war es die falsche Tageszeit, oder es gab irgendeinen Trick, den nur die Pariser kannten und den sie noch nicht begriffen hatte, denn die Taxis rasten als verschwommene Flecken aus Schwarz und Chrom an ihr vorbei. Halblaut fluchend blieb sie stehen. Auger warf einen weiteren Blick über die Schulter und glaubte, das gleiche Auto erneut zu sehen, wie es im Schritttempo vorwärts kroch, aber kaum wurde sie ernsthaft misstrauisch, bog es bereits in eine Seitenstraße ab.
Auger ermahnte sich streng, dass sie sich genauso paranoid benahm wie angeblich Susan White. Sie musste die Dinge aus Floyds Perspektive betrachten, nicht aus ihrer eigenen. Der Detektiv konnte nicht die geringste Ahnung haben, wie wichtig die Papiere in der Dose waren. Ihre Geschichte war rundum glaubwürdig gewesen, und Floyd hatte wahrscheinlich keinen Grund, an ihren Worten zu zweifeln. Susan White hatte sogar selbst erwähnt, dass ihre Schwester kommen würde, um ihre Hinterlassenschaft abzuholen.
Immer noch nervös, wenn auch äußerlich
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