Ewigkeit
Eindruck, dass sie fünfzig oder sechzig Jahre in die Vergangenheit zurückgefallen waren, in das Paris der Jahrhundertwende. Es gab keine Zugeständnisse an die moderne Epoche – kein Radio, kein Telefon und erst recht keinen Fernseher. Selbst das Grammophon zum Aufziehen, das unter dem Fenster stand, schien eher den Geist aufgeben zu wollen, als etwas Moderneres als Debussy zu spielen. Die Möbel waren mit braunen Samtbezügen bespannt und die geschwungenen Beine und Armlehnen aus Holz mit Blattgold verziert. An den Türen zwischen den Zimmern waren Pfauenfedern angebracht, die sich wie zeremonielle Krummschwerter neigten. Ein Vogelkäfig aus Messing hing von der Decke, aber es deutete nichts darauf hin, dass er je von einem Vogel bewohnt worden war. Im Raum waren mindestens ein Dutzend altertümliche Öllampen verteilt, deren gefärbtes Glas Schatten aus Blau, Grün und Türkis auf die makellos weißen Wände warfen, obwohl keine der Lampen brannte. Das Zimmer ging nach Süden und saugte alles auf, was noch an Tageslicht übrig war.
Madame Parmentiere schloss hinter ihnen die Tür. »Sie können hier nicht allzu lange bleiben«, sagte sie.
»Ich weiß«, sagte der Mann, den Floyd als Custine angesprochen hatte, »und wir werden Sie auch keinen Augenblick länger als unbedingt notwendig belästigen. Dürfen wir uns trotzdem setzen?«
»Bitte«, sagte die alte Dame. »In diesem Fall sollte ich wohl lieber Tee machen.«
Alle nahmen Platz, während sich Madame Parmentiere durch einen Vorhang aus schimmernden Glasperlen entfernte – in die Küche, wie Auger vermutete.
»Wer will anfangen?«, sagte Floyd und blieb bei Französisch. »Ich wüsste im Moment nicht, wo ich anfangen sollte.«
»Wer ist sie?«, fragte Custine und blickte in Augers Richtung.
»Die Schwester«, antwortete Floyd.
»Sie sieht aber nicht besonders rothaarig aus.«
»Wir waren Halbschwestern«, sagte Auger.
Floyd breitete in der Geste der Kapitulation die Arme aus. »Was soll ich dazu sagen? Sie hat auf alles eine Antwort, André. Du kannst ihr jede verdammte Frage an den Kopf werfen, sie ist auf alles vorbereitet. Sie hat mich sogar dazu gebracht, ihr fast zu glauben, dass ein anständiges Mädchen Gefallen daran findet, in den Tunneln der Pariser Métro herumzuschnüffeln .«
»Ich sagte …«, begann Auger, doch dann änderte sie abrupt die Zielrichtung und sprach Custine an. »Wer sind Sie überhaupt? Ich habe genauso wie Sie das Recht, danach zu fragen.«
»Das ist André Custine«, sagte Floyd. »Mein Partner und Freund.«
»Und ein gleichermaßen hoffnungsloser Fall«, fügte Greta hinzu.
Auger sah die anderen der Reihe nach an. »Ich kann nicht einschätzen, ob sie sich gegenseitig lieben oder hassen.«
»Wir alle haben ein paar schwere Tage hinter uns«, sagte Floyd, bevor er plötzlich die Stimme senkte. »Liegt es an mir, oder riecht es hier irgendwie seltsam?«
»Das bin ich«, sagte Custine unbekümmert. »Beziehungsweise das Hemd, das ich soeben ausgezogen habe. Was glaubst du, wie ich in dieses Haus gelangt bin, ohne bemerkt zu werden?«
»Monsieur Gosset«, sagte Greta, deren Miene plötzliches Verständnis zeigte. »Du riechst nach Pferdefleisch!«
Floyd vergrub das Gesicht in den Händen. »Das wird ja immer besser!«
Von allen schien Custine der Einzige zu sein, der völlig ruhig und gelassen blieb, als wäre es genau das, was an den meisten Nachmittagen geschah. »Irgendwann hatte ich genug von Michels Gastfreundschaft im Le Perroquet. Er meint es nur gut, aber ein Mensch kann sich nicht unbegrenzt in einem solchen Raum aufhalten, ohne geistigen Schaden zu nehmen. Zum Glück ist es ihm gelungen, mir über seine Kontakte eine andere vorübergehende Unterkunft zu besorgen. Aber zunächst musste ich hierher zurückkehren, weil ich etwas in Eile war, als ich gestern vorbeischaute. Aber wie sollte ich das Gebäude unbemerkt betreten?« Er lächelte und schien es zu genießen, im Zentrum der Aufmerksamkeit zu stehen. »Da kam mir die rettende Idee. Ich konnte zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Ich wusste, dass Gosset täglich von irgendwo im Norden der Stadt mit Pferdefleisch beliefert wird. Ich erinnerte mich an den Namen dieser Lieferfirma und dass Gosset uns noch einen Gefallen schuldig war. Ein paar Telefonate später hatte ich mir ein kuscheliges Versteck auf der Ladefläche eines Lieferwagens gesichert.«
»Solche Tricks wirst du nicht über einen längeren Zeitraum durchziehen können«, stellte Floyd
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