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Ewigkeit

Ewigkeit

Titel: Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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Vergangenheit, ein Wunder und ein Schrecken, wie eine biblische Plage. Silberregen war das Schlimmste, das einer Welt zustoßen konnte. Nicht nur das: Es war mit hoher Wahrscheinlichkeit das Letzte, was einer Welt jemals zustoßen würde.

 
Einundzwanzig
     
     
    Der Zug rollte durch eine monotone mondbeschienene Landschaft irgendwo östlich der deutschen Grenze. Ab und an glitt die erleuchtete Oase eines Bauernhauses oder eines gemütlichen kleinen Dorfes vorbei. Die endlosen dunklen Felder dazwischen waren so leblos und ungastlich wie der Raum zwischen den Sternen. Gelegentlich entdeckte Auger einen Fuchs, der erstarrt innehielt, oder eine Eule, die auf ihrer einsamen Nachtwache im Gleitflug über ein Feld dahinschwebte. Das Mondlicht hatte diese Tiere zur Farblosigkeit ausgebleicht, wie Gespenster. Die kleinen Nischen des Lebens – so willkommen ihr Anblick war – vergrößerten nur die unermessliche Leblosigkeit der weiten Landschaft. Doch das rhythmische Rattern der Räder des Zuges, das sanfte Schaukeln des Waggons, das ferne, gedämpfte Dröhnen der Lok, die Wärme einer guten Mahlzeit in ihr – all dies wiegte Auger in ein Gefühl der Entspanntheit. Obwohl sie wusste, dass es nur vorübergehend sein konnte und eigentlich gar nicht zu rechtfertigen war. Trotzdem war sie dafür dankbar.
    »Sagen Sie mir«, meldete sich Floyd wieder zu Wort, »wie wir die Nachtruhe arrangieren werden.«
    »Was würden Sie vorschlagen?«
    »Ich könnte auf meinem reservierten Sitzplatz schlafen.« Floyd hatte auf die zusätzlichen Ausgaben für einen Liegeplatz verzichtet.
    »Sie können die untere Koje haben«, sagte sie großmütig, während sie sich mit einer Serviette die Mundwinkel sauber tupfte. »Aber das bedeutet nicht, dass wir verheiratet sind. Oder auch nur gute Freunde.«
    »Sie verstehen es, einem Mann gegenüber Ihre Wertschätzung zum Ausdruck zu bringen.«
    »Das bedeutet, dass wir eine rein geschäftliche Beziehung haben, Wendell. Was wiederum nicht bedeutet, dass ich nicht froh bin, Sie in der Nähe zu haben, falls sie wieder auftauchen?«
    »Die Kinder?«
    Sie nickte nachdrücklich. »Ich mache mir Sorgen, dass sie uns gefolgt sein könnten.«
    »Nicht in diesem Zug«, sagte Floyd. »Sie wären viel zu auffällig, hier noch mehr als in der Stadt.«
    »Ich hoffe, dass Sie Recht haben. Aber es geht nicht nur um die Kinder.«
    Sie hatten soeben im Speisewagen des Zuges zu Abend gegessen, in Gesellschaft mehrerer anderer Reisender, von denen die meisten besser gekleidet waren. Nahezu alle Gäste hatten sich inzwischen in die benachbarte Bar oder ihre Kabinen zurückgezogen, womit Auger und Floyd fast allein im Wagen waren. Ein jüngeres deutsches Pärchen in einer Ecke diskutierte über Hochzeitspläne, während zwei stämmige belgische Geschäftsmänner bei dicken Zigarren und Cognac Geschichten über finanzielle Unschicklichkeiten austauschten. Keine dieser Gruppen interessierte sich auch nur im Geringsten für das leise, vertrauliche Gespräch zwischen zwei Englisch sprechenden Fremden.
    »Sondern?«, fragte Floyd.
    »Was Sie gesagt haben … was Sie mir auf der Postkarte gezeigt haben.«
    »Ja?«
    »Also … das hat all meine Hoffnungen zunichte gemacht, dass ich mir alles vielleicht nur eingebildet habe.«
    »Sie haben sich diese Kinder nicht eingebildet.«
    »Ich weiß«, sagte Auger. Sie nippte vom Rest ihres Getränks und war sich bewusst, dass sie leicht beschwipst und in gleichgültiger Stimmung war. In diesem Moment war eine leichte Trübung des Geistes genau das, was der Arzt empfohlen hätte. »Aber dass auf der Postkarte von Silberregen die Rede ist, bedeutet, dass die Sache noch weitaus schlimmer ist, als ich befürchtet hatte.«
    »Vielleicht würde es helfen, wenn Sie mir verraten, was es mit diesem Silberregen auf sich hat«, schlug Floyd vor.
    »Ich kann es Ihnen nicht sagen.«
    »Aber es muss etwas sehr Schlimmes sein. Als ich diesen Begriff erwähnte, haben sie mich angesehen, als wäre jemand über Ihr Grab getrampelt.«
    »Ich hatte gehofft, dass meine Reaktion nicht so offensichtlich ist.«
    »Ihr Gesicht war eine helle Neonreklame. Dieser Begriff war das Letzte, was Sie hören wollten.«
    »Vielleicht hatte ich nur nicht damit gerechnet«, sagte sie.
    »Dass er über meine Lippen kommt?«
    »Dass er irgendjemandem über die Lippen kommt. Sie hätten mir diese Postkarte nicht vorenthalten dürfen, Wendell. Das war zutiefst unehrlich.«
    »Und dass Sie sich als Susan Whites Schwester

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