Ewigkeit
verschwunden.
Innerhalb weniger Sekunden war rund um den erstochenen Kellner das totale Chaos ausgebrochen. Auger konnte nur noch die Rücken der Leute erkennen, die sich um ihn scharten und ihm zu helfen versuchten. Ein anderer Kellner brüllte etwas in das Telefon des Restaurants, während ein dritter nach draußen stürmte, um Hilfe zu holen. Die Szene erregte bereits die Aufmerksamkeit von Menschen, die draußen auf ihre Züge warteten. Ein Eisenbahnangestellter – der eine bemerkenswerte Ähnlichkeit mit dem Mann hatte, den Floyd einige Stunden zuvor bestochen hatte – schlenderte auf die Tür zu, und als er das Ausmaß der Unruhe bemerkte, setzte er schnaufend seinen schweren Bauch in schnellere Bewegung. Jemand stieß drei schrille Pfiffe mit einer Trillerpfeife aus.
Auger stand auf und suchte ihre Sachen zusammen. Waren die Kinder immer noch draußen im Bahnhof und warteten auf sie? Sie konnte es unmöglich sagen. Sie wusste nur, dass sie nicht mehr hier sein wollte, wenn – was nun ziemlich sicher schien – die Polizei eintraf und sich die Namen und Adressen von Zeugen notierte. Sie durfte den Zug nach Berlin nicht verpassen, und sie konnte es sich auf gar keinen Fall erlauben, zwischen die Mühlsteine der exekutiven Bürokratie zu geraten. Was war, wenn der Métro-Angestellte in der Station Cardinal Lemoine schließlich doch beschlossen hatte, seinen Vorgesetzten Meldung zu machen?
Sie tupfte sich den Mund mit einer Serviette sauber, nutzte den günstigsten Moment und drängte sich unter Entschuldigungen an den besorgten Menschen vorbei, die den Niedergestochenen umringten. Sie erweckte kaum mehr Aufmerksamkeit als ein Rauchschwaden. An der Tür hielt sie inne und schaute sich auf dem Bahnhof um, doch von den beiden Kindern war nichts zu sehen. Sie konnte nur hoffen, dass sie beschlossen hatten, den Schauplatz zu verlassen, bevor zu viele Zeugen einen bösartigen kleinen Jungen mit einem Messer beschreiben konnten. So schnell sie konnte, ohne Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, lief Auger los und suchte den Bahnsteig für ihren Zug nach Berlin. Er wartete bereits, eine lange Kette aus dunkelgrünen Waggons mit einer schwarzen Lokomotive, die am anderen Ende vor sich hinschnaufte. Über die ganze Länge des Zuges war das Bahnhofspersonal damit beschäftigt, alles für die Abfahrt vorzubereiten. Wagen mit Bettwäsche, Speisen und Getränken wurden hin und her geschoben, und Männer in Uniform kamen und gingen durch die offenen Türen und unterhielten sich laut in Französisch mit schwerem Akzent. Ein Angestellter stoppte Auger mit einem Kopfschütteln, als sie den Bahnsteig betreten wollte und tippte mit einem Finger auf seine Armbanduhr.
»Bitte, Monsieur«, sagte Auger. In der Ferne hörte sie das kratzende Heulen von Polizeisirenen, die sich dem Bahnhof näherten. »Ich muss unbedingt den Zug besteigen.«
Etwas Schlimmeres hätte sie kaum sagen können, falls der Mann auf die Idee kam, dass sie vor den Gesetzeshütern flüchten wollte. »Mademoiselle«, sagte er bedauernd, »in fünf Minuten ist der Zug zum Einsteigen bereit.«
Auger ließ ihre Taschen fallen und kramte ihr letztes Geld hervor. »Nehmen Sie das«, sagte sie und bot ihm zehn Francs an. »Das ist Bestechungsgeld.«
Der Mann schürzte die Lippen und musterte sie von oben bis unten. Die Sirenen schienen schon recht nahe zu sein. Aus dem Augenwinkel sah sie, dass sich immer noch eine Menschentraube vor dem Eingang zum Restaurant drängte.
»Zwanzig«, sagte er. »Dann dürfen Sie schon jetzt nach Ihrem Schlafwagen suchen.«
»Für zwanzig können Sie mir helfen, meinen Platz zu finden«, erwiderte Auger schnippisch.
Dieser Kompromiss schien für den Angestellten akzeptabel zu sein. Er steckte die zweite Zehn-Francs-Banknote ein und führte sie zwei Waggons weiter, bis er den gefunden hatte, der der Nummer auf ihrer Fahrkarte entsprach. Drinnen war alles sauber, hell und eng. Der Mann suchte ihr Abteil und hielt ihr die Tür auf. Drinnen steckte ein Schlüssel, den er herauszog und Auger gab.
»Vielen Dank«, sagte sie.
Der Angestellte deutete eine Verbeugung an, dann ließ er sie allein. Im Schlafwagenabteil gab es zwei Betten, aber sie hatte für die gesamte Kabine bezahlen müssen, um sie für sich allein zu haben. In einer Ecke war ein modernes Aluminium-Waschbecken mit Wasserhahn installiert worden, daneben stand ein winziger Schrank und ein kleiner Schreibtisch zum Herunterklappen mit Stuhl. Die Wände waren mit lackiertem
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