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Ewigkeit

Ewigkeit

Titel: Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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schaffen. Doch nun hatte ein Prozess eingesetzt, der nur noch ein mögliches Ende haben konnte. Nach einer jahrhundertelangen Pattsituation siegte die Schwerkraft über verbogene Eisenstreben und verrostete Bolzen. Die Schieflage des Turms wurde stärker, und die noch vorhandenen Beine bogen sich langsam unter der Belastung. Hundert Tonnen schwere Streben sprangen aus den Halterungen und flogen wie Spielkarten durch die Luft. Als Tausende Tonnen Metall in den Boden krachten, stieg ein Schleier aus zermahlenem Eis mehrere hundert Meter hoch empor. Er bildete eine Art Vorhang, der die letzten Augenblicke des Turms verbarg. Floyd sah, wie die oberste Aussichtsplattform kippte und ins Weiß abtauchte, begleitet von zuckenden Blitzen. Dann wandte er den Blick ab, weil ein Teil von ihm das Geschehen nicht bis zum bitteren Ende mit ansehen wollte.
    Er entschied, dass ihm sein eigenes Paris trotz aller Fehler lieber war.
    Schade nur, dass er es nie wiedersehen würde.

 
Sechsunddreißig
     
     
    »Ich gestehe, dass die Bedingungen besser sein könnten«, sagte der Mann in der weißen Kapitänsuniform, auf der Schulterstücke und Tressen glänzten, »aber ich möchte trotzdem, dass Sie sich in diesem Schiff wohl fühlen.«
    Tunguska bot Floyd eine Zigarre aus einem kleinen hölzernen Humidor an. Floyd lehnte sie ab, doch zu einem Schluck Whisky ließ er sich überreden. Sie saßen in Polstersesseln im luxuriös ausgestatteten Salon, der sich an Bord eines Ozeandampfers, eines Luftschiffes oder eines transatlantischen Flugbootes befinden mochte. Durch die quadratischen Fenster war nur verregnete Nacht zu sehen, und das ferne Dröhnen der Maschinen war so unbestimmbar, dass jede der Möglichkeiten zutreffen konnte. Deckenventilatoren rührten mit langsamen Rotationen die Luft um.
    Floyd trank seinen Whisky zur Hälfte aus. Es war nicht der beste, den er jemals gekostet hatte, aber er war dennoch genau das Richtige nach so einem Tag. »Wie geht es Auger?«, fragte er.
    »Ihr Zustand ist stabil«, sagte Tunguska. »Die physische Verletzung durch die versagende Waffe ließ sich ohne Probleme beheben, und normalerweise wäre es nicht zu weiteren Schwierigkeiten gekommen.«
    »Und in diesem Fall?«
    »Sie hat einen Schock erlitten. Es besteht die Möglichkeit, dass sie gestorben wäre, wenn Cassies Maschinen nicht eingegriffen hätten. Jedenfalls haben die Maschinen sie stabilisiert. Sie befindet sich in einer Art Koma.«
    »Wie lange wird sie in diesem Zustand bleiben?«
    »Ich fürchte, das lässt sich nicht abschätzen. Selbst wenn jemand von uns freiwillig akzeptiert, zum Wirt für die Maschinen einer anderen Person zu werden, ist es ein Prozess, der mit zahlreichen Tücken verbunden sein kann. Diese Art von spontanem Transfer, den Cassandra in Paris bewerkstelligt hat …« Der Kapitän neigte die Zigarre zur Seite, um seine Worte zu illustrieren. »Es wäre selbst dann schwierig gewesen, wenn Auger ein Slasher gewesen wäre, mit jahrelanger Vorbereitung und bereits vorhandenen Strukturen im Kopf, die sich auf die neuen Muster hätten einstellen können. Aber Auger ist nur ein normaler Mensch. Und zu allem Überfluss wurde sie kurz nach der Übernahme schwer verletzt.«
    »Wenn Cassandra sie nicht übernommen hätte, wären wir beide da unten gestorben, nicht wahr?«
    »Mit hoher Wahrscheinlichkeit.« Tunguska nahm sich eine weitere Zigarre und kniff das Ende mit einer raffinierten kleinen Guillotine ab. Er hatte die erste gar nicht geraucht oder auch nur den Anschein erweckt, dass er ihre Grundfunktion verstanden hatte, abgesehen von ihrer Eigenschaft als soziales Accessoire. »Genauso wäre Cassandra gestorben, wenn sie Auger nicht als Wirt übernommen hätte.«
    »Mir scheint, dass sie sich nicht unbedingt freiwillig für diese Aufgabe zur Verfügung gestellt hat.«
    »Glauben Sie mir«, sagte Tunguska, »es muss zumindest einen Moment der Verhandlung gegeben haben, mag er auch noch so kurz gewesen sein. Es gehört sich einfach nicht, in den Kopf einer anderen Person zu stürmen, ganz gleich, wie dringend die Notlage ist.«
    »Wie steht es um Cassandras Chancen?«
    »Besser als ohne Wirt. Ihre Maschinen hätten überlebt, aber ohne die Verankerung eines physischen Geistes hätte sich ihre Persönlichkeit aufgelöst.«
    »Und jetzt?«
    »Hat sie zumindest eine Chance.« Zur Unterstreichung stieß er wieder mit der Zigarre in die Luft. »Dank Auger.«
    »Ich glaube, Auger hat Sie falsch beurteilt«, sagte Floyd.
    »Sie hat

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