Ewigkeit
wären sie vielleicht eher geneigt gewesen, ein wenig Zeit auf den Fall zu verschwenden. Aber sie war nur eine amerikanische Touristin, und damit sind sie aus dem Schneider. Sie behaupten einfach, dass es ein klarer Fall ist. Sie ist entweder gesprungen oder versehentlich gestürzt. Das Geländer war in Ordnung, also liegt in keinem Fall ein Verbrechen vor.« Er hielt Greta die Tür auf, und sie ließ sich auf dem Beifahrersitz nieder. Dann ging er hinüber zur Fahrerseite und stieg ebenfalls ein.
»Aber du glaubst nicht, dass es so war?«
»Ich bin noch unentschlossen.« Floyd wartete, bis das Auto hustend zum Leben erwachte. »Nach allem, was wir bis jetzt wissen, würde ich weder einen Unfall noch Selbstmord völlig ausschließen. Aber ein paar Dinge passen nicht ganz zusammen.«
»Und wer zahlt für diese unabhängige Ermittlung?«
»Ihr Vermieter.« Floyd lenkte das Auto auf die Straße und fuhr in Richtung des nächsten Flussübergangs. Ein Polizeiauto kam ihnen entgegen und fuhr vorbei, Richtung Bahnhof. Offenbar hatten sie es nicht besonders eilig.
»Was hat ihr Vermieter mit der Sache zu tun?«
»Der ältere Herr war sehr angetan von ihr, und er glaubt, dass mehr hinter der Sache steckt, als man auf den ersten Blick sieht.« Floyd ließ eine Hand am Lenkrad, während er mit der anderen unter seinen Sitz griff, die Keksdose hervorholte und sie Greta reichte. »Sieh mal, ob du daraus schlau wirst.«
Greta zog die Handschuhe aus und öffnete die Dose. »Das hat der toten Frau gehört?«
»Wenn der Vermieter die Wahrheit sagt, hat sie ihm die Dose kurz vor ihrem Tod zur Aufbewahrung gegeben. Warum sollte sie das tun, wenn sie nicht um ihre Sicherheit besorgt war?«
Greta blätterte die Papiere durch. »Ein paar davon sind auf Deutsch«, stellte sie fest.
»Deshalb habe ich dich gebeten, einen Blick darauf zu werfen.«
Sie legte die Papiere zurück in die Dose, machte sie wieder zu und legte sie neben ihren Koffer auf den Rücksitz. »Jetzt kann ich mir das nicht ansehen. Hier drinnen ist es zu dunkel. Außerdem wird mir schlecht, wenn ich im Auto lese. Besonders, wenn du fährst.«
»Ist schon in Ordnung«, antwortete Floyd. »Nimm die Dose mit und sieh sie dir später an, wenn du Zeit hast.«
»Ich bin gekommen, um mich um meine Tante zu kümmern, nicht, um dir bei deinem Fall zu helfen.«
»Du brauchst doch nur ein paar Minuten dafür. Und du musst es dir ja nicht heute Abend ansehen. Ich schau morgen mal vorbei, dann gehen wir essen. Und dann kannst du mir alles darüber erzählen.«
»Du bist gut, Floyd. Das muss man dir lassen.«
Er versuchte beiläufig zu klingen, als wäre nichts von alledem geplant gewesen. »Da ist was drin, das wie eine Zugfahrkarte aussieht, und ein geschäftlicher Brief, der mit irgendeiner Fabrik in Berlin zu tun hat – vielleicht mit einem Stahlwerk. Ich frage mich, was eine nette junge Dame wie Susan White mit einer Stahlfirma zu tun hat.«
»Woher weißt du, dass sie eine nette junge Dame war?«
»Weil sie alle nett sind, bis das Gegenteil bewiesen ist«, antwortete er ihr mit einem unschuldigen Lächeln.
Während der nächsten zwei Häuserblocks sagte Greta nichts. Sie starrte nur aus dem Fenster, als hätten die vorbeiströmenden Vorder- und Rücklichter sie hypnotisiert. »Ich sehe mir das Zeug mal an, Floyd, aber mehr kann ich dir nicht versprechen. Es ist schließlich nicht so, dass ich gerade nichts anderes im Kopf hätte.«
»Tut mir Leid wegen deiner Tante«, sagte Floyd. Er lenkte das Auto in die Schlange der am Flussübergang wartenden Fahrzeuge. Erleichtert stellte er fest, dass seine Behauptung vom mörderischen Verkehr nicht ganz und gar aus der Luft gegriffen war. Weiter vorne war ein Lastwagen liegen geblieben, und ein paar Männer droschen mit Schraubenschlüsseln auf die freiliegenden Zylinderköpfe ein. Rund um die Szene hatten sich Wachmänner versammelt. Die gebogenen Magazine ihrer billigen Maschinenpistolen glänzten wie Sensen. Sie stampften mit den Füßen auf und reichten eine glimmende Zigarette herum.
Unvermittelt sagte Greta: »Die Ärzte geben ihr zwei bis acht Wochen, je nachdem, wen man fragt. Aber was wissen die schon?«
»Sie tun ihr Bestes«, sagte Floyd. Er wusste immer noch nicht, was Gretas Tante fehlte. Nicht, dass es letztlich eine Rolle gespielt hätte.
»Sie will nicht ins Krankenhaus. Das hat sie ganz klar gesagt. Neununddreißig hat sie miterlebt, wie mein Onkel im Krankenhaus gestorben ist. Ihr bleibt nur noch
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