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Ewigkeit

Ewigkeit

Titel: Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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trug er eine Brille mit bläulichen Gläsern, die ihm ein eulenartiges Aussehen verlieh. Immer wieder schloss er beim Reden die Augen, als würde er einer weit entfernten leisen Melodie lauschen, und wenn er sich bewegte, schien sein Kopf immer kurz zu zögern, als wäre er an einem bestimmten Punkt in Raum und Zeit verankert.
    »Macht es Ihnen etwas aus, wenn ich noch einen Augenblick weiterspiele? Ich habe festgestellt, dass etwas Fingerübung eine wunderbare Konzentrationshilfe ist.«
    »Man sagt dasselbe über Exekutionen.«
    »Nehmen Sie Platz, Verity.«
    Auger setzte sich auf eine Chaiselounge mit einem grünem Seidenüberzug. Wahrscheinlich war das Möbelstück genau so authentisch und wertvoll, wie es aussah.
    Vor der Chaiselongue stand ein kleiner Kaffeetisch, auf dem ein flacher rechteckiger Gegenstand mit kunstvollem Aufdruck lag. Während Caliskan sein Spiel wieder aufnahm, griff Auger nach dem Gegenstand und erkannte, dass es sich um die Kartonhülle einer Grammophon-Aufnahme handelte. Karton oder Pappe, erinnerte sie sich, bestand aus weiterverarbeitetem Holzbrei. Es war etwas darin. Sie drehte die Hülle um und ließ die Schallplatte in ihre Hand gleiten. Es handelte sich um eine dünne schwarze Scheibe aus schwerem, plastikähnlichem Material. Auf beiden Seiten war ein Spiralmuster eingraviert.
    Die Schallplatte war ein typisches Exemplar von Millionen ihrer Art, die man von Ende des neunzehnten bis Ende des zwanzigsten Jahrhunderts hergestellt hatte. Sie bestand aus gepresstem Schellack, einer Art Harz, das man, soweit sie sich erinnerte, aus Insekten gewonnen hatte. In den spiralförmigen Rillen waren Lautfolgen codiert, die von einem Tonarm mit Diamantnadel ausgelesen werden konnten, wenn man die Scheibe mit ein paar Dutzend Umdrehungen pro Minute rotieren ließ. Das Abspielen verursachte jedes Mal eine Verschlechterung der Aufnahmequalität, da der Tonabnehmer die Rillen abnutzte und kleine Staubteilchen auf der Platte hinterließ. Selbst die Originalaufnahmen waren durch eine Abfolge analoger Prozesse eingespielt worden, die allesamt Zufallselemente in das Klangbild einbrachten.
    Aber gleichzeitig handelte es sich um ein echtes analoges Artefakt, und damit war es von unschätzbarem historischem Wert. Eine Aufnahme im flüchtigen Speicher eines Computersystems konnte in Sekundenschnelle gelöscht oder verändert und die Beweisspuren kunstvoll verborgen werden. Eine Aufnahme wie eine Schellackplatte dagegen konnte zerstört, aber nur schwer verändert werden. Auch Fälschungen ließen sich aufgrund der komplexen chemischen Zusammensetzung der Platte und ihrer Verpackung nur mit großer Mühe anfertigen. Wenn solche Objekte bis in die Gegenwart überdauerten, betrachtete man sie deshalb als sehr zuverlässige Fenster in die Geschichte vor dem Nanocaust, vor dem Vergessen.
    Auger studierte die Beschriftung. Die Schallplatte enthielt Musik des Komponisten Mahler, Das Lied von der Erde. Auger wusste nicht viel über Komponisten im Allgemeinen und noch weniger über Mahler im Besonderen. Sie konnte sich lediglich erinnern, dass er eine ganze Weile vor dem Zeitabschnitt ihres Interesses gestorben war.
    Caliskan hörte auf zu spielen und stellte Geige und Bogen sorgsam in die dafür vorgesehene Halterung. Er sah, wie Auger die Platte begutachtete. »Interessieren Sie sich dafür?«
    Auger schob die zerbrechliche schwarze Scheibe in die Hülle zurück und legte sie auf den Kaffeetisch. »Haben Sie das gespielt?«
    »Nein. Das war ein Stück von Bach. Das Sechste Brandenburgische Konzert, falls Ihnen das etwas sagt. Im Gegensatz zu Mahler sind davon weder die Partitur noch die Originalaufnahmen jemals verloren gegangen.«
    »Es handelt sich um eine Originalaufnahme«, sagte Auger und berührte die Plattenhülle, »nicht wahr?«
    »Ja, aber bis vor kurzem war kein Exemplar bekannt, das die Zeit überdauert hatte. Nachdem wir diese Aufnahme haben, versucht irgendjemand, Rückschlüsse auf Mahlers Originalpartitur zu ziehen. Das ist natürlich ein hoffnungsloses Unterfangen. Unsere Chancen, ein erhaltenes Exemplar auszugraben, stünden viel besser.«
    Sie hatte nach wie vor das unangenehme Gefühl, geprüft oder in eine Falle gelockt zu werden. »Einen Augenblick. Ich verstehe nicht ganz. Sie wollen sagen, dass dieses Musikstück vollständig verloren gegangen ist?«
    »Ja.«
    »Und jetzt haben Sie eine erhaltene Aufnahme gefunden?«
    »Genau. Das ist ein Grund zu großer Freude. Die Schallplatte, die Sie sich

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