EwigLeid
wirklich nicht an. „Ich will nicht mehr darüber reden, Jase.“
Er biss die Zähne zusammen. „Und das reicht mir als Antwort. Wer war es?“
„Lassen wir das.“ Bitte, dachte sie. Lass es. Ich will dein Mitleid nicht. Ich will nicht, dass du mich so betrachtest. Als Frau, die Stärke vortäuscht, weil sie immer nur schwach gewesen ist.
„Was soll ich lassen? Persönliches anzusprechen? Unangenehmes? Scheiß drauf. Ich will eine Antwort auf meine Frage. Bist du vergewaltigt worden?“
Es war an diesem Abend das zweite Wort aus seinem Mund, das sie schockierte. Das erste, weil es die Vorstellung von ihm und ihr zusammen geweckt hatte. Nackt und intim. Das zweite, weil sie sich selbst nackt sah. Verletzlich. Wertlos. Ja, wirklich, sie hatte nichts gemein mit den Frauen, die Jase normalerweise bevorzugte. Am besten akzeptierte sie das ein für alle Mal. Sie trat ihm entschieden entgegen. „Ja. Ich bin vergewaltigt worden. Bist du jetzt zufrieden?“
Ohne etwas zu erwidern, wandte Jase sich von ihr ab, trat zum Fenster und umfasste den Rahmen so heftig, dass seine Knöchel weiß hervortraten.
Sie behielt ihn wachsam im Auge. Sah, wie seine Schultern sich unter einem Kampf um Beherrschung hoben und senkten. Sah, wie er mit seiner Wut und seiner Hilflosigkeit rang. Ja, Jase war ein guter Cop. Die Vorstellung, dass jemand eine Frau angriff, empörte ihn. Allerdings war es nicht irgendeine Frau, sondern Carrie, seine Kollegin. Und mittlerweile akzeptierte sie wirklich, dass Jase sie mochte. Sie wusste nicht, warum, und sie wusste nicht, wie tief seine Gefühle für sie waren, doch ganz offensichtlich litt er um sie. Und dadurch litt sie um ihn.
„Jase, es ist ja gut …“
Er fuhr herum und zeigte mit dem Finger auf sie. „Nichts ist gut. Versuche niemals, so zu tun, als wäre alles wieder gut, obwohl dir das passiert ist.“
„So habe ich es nicht gemeint. Ich wollte nur sagen … es ist lange her. Aber ich habe eine wichtige Lehre daraus gezogen. Mag sein, dass Männer starke Frauen mögen, aber nicht, wenn sie fürchten müssen, die Frau könnte stärker sein. Nicht, wenn sie sich bedroht fühlen. Sobald sie sich bedroht fühlen, glauben die meisten Männer, etwas beweisen zu müssen, ganz gleich, wie.“
„Wer war es?“ Er kam nicht näher. Zweifelte er an seiner Fähigkeit, Abstand halten zu können? Fürchtete er sich davor, die Hände nach ihr auszustrecken, nachdem er nun erfahren hatte, was ihr widerfahren war?
„Wieso ist das wichtig?“
„Es ist eben wichtig.“
Carrie zögerte. Es wäre unklug, Jase zu viel Einblick zu geben. Sie arbeiteten an einem schwierigen Fall. Auf keinen Fall wollte sie irgendwelche Rachegedanken in Jase schüren, von denen er sich ablenken ließ, allerdings war ihr auch gleichzeitig klar, dass er keine Ruhe geben würde. „Ein Kommilitone. Aber seitdem hatte ich nur Männer, die sich an die Regeln gehalten haben. Aber ich habe dieses ganze Aufpassen und Auf-der-Hut-Sein mittlerweile satt. Genauso gut kann ich mich mit mir selbst vergnügen, falls du verstehst, was ich meine.“
„Oh, ich verstehe sehr gut, was du meinst. Und ich verstehe auch, wieso du so denkst. Aber glaubst du wirklich, ich würde je meine Körperkraft einsetzen, um dir wehzutun? Um irgendetwas zu tun, was du nicht willst, sei es im Bett oder woanders?“
„Nein. Das glaube ich nicht, Jase.“
Es war, als würde ihm ein Stein vom Herzen fallen, und Jase schloss erleichtert die Augen. „Gott sei Dank.“
Für Carrie war es nicht länger möglich, die Distanz zwischen ihnen beiden zu ertragen. Sie schritt auf ihn zu, bis sie direkt vor ihm stand. Bis sie ihm die Hand auf die Schulter legen konnte.
Da bemerkte sie, dass er zitterte. „Jase?“
Er zog Carrie an sich und barg das Gesicht an ihrem Hals. Seine Umarmung fühlte sich wie ein Akt der Verzweiflung an, vermittelte ihr jedoch ein Gefühl der Sicherheit. Des Geliebtseins.
Diesem starken Mann bedeutete sie so viel, dass er wegen etwas, was ihr vor Jahren zugestoßen war, am ganzen Körper zitterte. Sie strich ihm übers Haar. „Schsch. Alles ist gut, Jase.“
Er schwieg eine ganze Weile. Er war so still, dass Carrie von ihm abrückte, die Hände um sein Gesicht legte und ihn zwang, ihr in die Augen zu schauen. „Mir geht’s gut, Jase“, flüsterte sie. „Du … du bewirkst, dass es mir gut geht. Du gibst mir das Gefühl, stark sein zu dürfen und gleichzeitig schwach.“ Ja, das stimmt, fügte sie in Gedanken dazu. Sie
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