Ewiglich die Sehnsucht - Ashton, B: Ewiglich die Sehnsucht
hervorgequollen.
»Ich kann den Schmerz verschwinden lassen«, hatte Cole gesagt. »Soll ich ihn verschwinden lassen?«
Jack legte eine Hand auf meinen Fußknöchel und zog mein Bein gerade. Er schob meine Jeans hoch. Die wulstige Narbe wand sich in einer gezackten Linie vom Schienbein nach hinten zur Wade.
»Oh«, sagte Jack. Er berührte die Narbe sanft und fuhr an ihr entlang. »Ganz schön tief.«
Ich nickte und betrachtete seine Hand an meinem Bein, seine schwieligen Finger auf meiner Haut. Ich bekam Gänsehaut, und ein Schauer durchlief mich.
»Ist dir kalt?«
Ich schüttelte den Kopf, zog mein Bein an und schob die Jeans wieder nach unten.
»Was ist dann passiert?«
»Cole hat gesagt, er könnte dafür sorgen, dass ich mich besser fühle. Und ich hab ihn gelassen.«
LETZTES JAHR
Am Ufer der Stromschnellen. Eine Woche vor der Nährung.
Ich zitterte so heftig, dass ich mir mehrmals auf die Zunge biss. Ich schmeckte Blut. Aber das war mir egal, weil der Schmerz in meinem Bein alles überdeckte. Es tat so weh, dass ich mich fragte, ob das Bein noch an mir dranhing oder ob es abgerissen worden war und jetzt den Fluss hinuntertrieb.
»Sie steht unter Schock«, sagte eine Stimme über mir.
»Mein Bein«, sagte ich. Beim Sprechen musste ich würgen. Ich hatte wohl Flusswasser geschluckt. Ich hustete, erbrach Wasser.
Kräftige Hände halfen mir, mich umzudrehen, damit ich mich nicht auf dem Rücken liegend übergab.
»Keine Angst, Nik.« Coles Stimme.
Ich brauchte jemanden, der mir sagte, ob mein Bein noch dran war. Ich versuchte, auf mein Bein zu deuten, aber meine Arme ruderten bloß hilflos umher.
»Ganz ruhig. Nicht bewegen.« Seine Stimme klang besänftigend. »Ist halb so wild.«
»Mann, Alter, das blutet wie Sau.«
»Schnauze, Gavin«, knurrte Cole. »Zieh deine Jacke aus.«
Ich hörte Stoff zerreißen und spürte Druck auf meinem Bein. »Könnte ein bisschen wehtun«, sagte Cole.
Und dann kam der richtige Schmerz. Wie ein heißer Schürhaken, der Haut und Muskeln meines Beines durchstieß, sich seinen Weg bis auf den Knochen durchbrannte.
Ich schrie. Ich musste von dem Schürhaken weg. Ich schlug um mich und wand mich, versuchte, mich zu befreien.
»Nik! Halt still.«
Ich schrie wieder. Zwei Hände packten meine Schultern, und ich hörte Coles Stimme.
»Nik. Mach die Augen auf.« Ich gehorchte. Coles Gesicht war wenige Zentimeter vor meinem. »Soll ich den Schmerz wegnehmen?«
»Cole!«, sagte Maxwell von irgendwoher hinter ihm.
Cole hielt die Augen auf mich gerichtet, doch er schüttelte den Kopf. »Das hast du nicht zu entscheiden, Max.«
»Du kennst das Risiko«, sagte Max.
»Sei still!«, knurrte Cole. »Es klappt schon.«
Maxwell sagte nichts mehr. Ich konnte kaum die Augen offen halten, der Schmerz in meinem Bein ließ alles andere verschwimmen, aber Cole hielt mich fest, damit ich mich nicht bewegte.
»Sag schon, Nik. Soll ich dir helfen und den Schmerz nehmen?«
Ich nickte, presste den Mund zu, um nicht noch einmal zu schreien.
»Sag endlich. Sag mir, was du willst.«
»Bitte«, sagte ich, und dann keuchte ich auf und wollte nach meinem Bein greifen, doch Cole hielt meine Arme fest. »Mach, dass es aufhört.«
Cole beugte sich noch näher, und einen Moment lang dachte ich, er wollte mich küssen, hatte aber nicht die Geistesgegenwart, den Kopf wegzudrehen. Seine Lippen berührten mich jedoch nicht. Er schloss die Augen und sog tief Luft ein, und sogleich ebbte der Schmerz in meinem Bein deutlich ab.
Er nahm noch einige Atemzüge mehr, und mit jedem ließ der Schmerz weiter nach, als ob ich von einer Schlange gebissen worden wäre und Cole das Gift aus mir heraussaugte. Schließlich konnte ich wieder atmen, ohne zusammenzuzucken, und als Cole mich fragte, ob es mir besser gehe, brachte ich nur eine Antwort zustande: »Mach weiter.«
JETZT
Jacks Zimmer.
»Also, wie hat er das angestellt? Mit Drogen oder so?«
»Nein, die Drogen waren bloß ein Gerücht. Er …« Ich konnte nicht weiterreden. Es in Worte zu fassen war schwerer, als ich gedacht hatte, dabei war es nur ein Bruchteil der ganzen Geschichte. Ich wollte aufgeben.
»Na los, Becks. Erzähl einfach weiter.«
»Er hat mich geküsst, mehr oder weniger, und er hatte recht. Er hat den Schmerz verschwinden lassen.« Ich ließ den Teil mit dem Jahrhundert im Ewigseits aus. Erst musste ich sehen, wie Jack auf dieses kleine Puzzleteilchen reagierte. »Und jetzt kann ich in etwa das Gleiche machen. Aber ich muss
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