Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Exil im Kosmos: Roman (German Edition)

Exil im Kosmos: Roman (German Edition)

Titel: Exil im Kosmos: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
Vom Netzwerk:
entdeckte ich auch. Wie Sie sehen, tötete ich mich nicht. Ich versuchte es mit Alkohol, dann mit verschiedenen Drogen, aber alles das schaffte nur vorübergehend Abhilfe. Ich ging bei vier Nervenärzten ein und aus. Ich trug einen gepolsterten Bleihelm, um die Neuronenausstrahlung abzuschirmen. Es war, als wolle man mit einem Eimer Neutrinos fangen. Sie müssen wissen, früher machte es mir nichts aus, unter Menschen zu sein. Ich war nicht gerade, was man kontaktfreudig nennt und was oft nicht mehr als leere Oberflächlichkeit ist, aber ich wusste mit Menschen umzugehen. Ich kam zurecht. Ich konnte aber auch ein Jahr auf Reisen gehen und während dieser Zeit keinen Menschen sehen und hören, ohne dass ich darunter gelitten hätte. Nur als ich merkte, dass ich endgültig von der Gesellschaft ausgeschlossen war, entdeckte ich, dass ich sie doch gebraucht hatte. Aber das ist vorbei. Ich bin diesem Bedürfnis entwachsen. Ich kann hundert Jahre allein verbringen und vermisse keine Seele. Ich habe gelernt, die Menschheit zu sehen, wie sie ist. Zum Teufel mit ihr. Zum Teufel mit euch allen. Ich schulde niemand etwas. Ich habe keine Verpflichtungen. Ich könnte Sie in diesem Käfig verfaulen lassen, Ned, und es würde mich keinen Moment beunruhigen. Ich könnte zweimal täglich vorbeigehen und Ihrem Totenschädel zulächeln. Es ist nicht, dass ich Sie hasste, weder Sie persönlich noch die ganze Galaxis voll von Ihresgleichen. Es ist einfach, dass ich Sie verschmähe. Sie sind mir nichts. Weniger als nichts. Sie sind Dreck. Ich verachte Sie. Ich kenne Sie jetzt, und Sie kennen mich.«
    »Sie sprechen, als ob Sie einer fremden Rasse angehörten«, sagte Rawlins bestürzt.
    »Nein. Ich gehöre der menschlichen Rasse an. Ich bin das am meisten menschliche Wesen, das es gibt, weil ich der einzige bin, der sein Menschentum nicht verbergen kann. Fühlen Sie es? Fangen Sie die Hässlichkeit auf? Was in mir ist, das ist auch in Ihnen. Gehen Sie zu den Hydranern, und sie werden Ihnen helfen, es freizusetzen, und dann werden die Menschen vor Ihnen weglaufen, wie sie vor mir weggelaufen sind. Ich spreche für die Menschheit. Ich sage die Wahrheit. Ich bin der Schädel hinter dem Gesicht. Ich bin die verborgenen Eingeweide. Ich bin der ganze Unflat, den wir verleugnen, all die menschliche Niedertracht und die animalische Triebhaftigkeit, die uns beherrscht, während wir uns über sie erhaben dünken. Ich bin die Lust und der Neid und die kleinen Bosheiten. Und ich bin der Mensch, der sich für gottgleich hielt. Hybris. Ich wurde daran erinnert, was ich wirklich bin.«
    Rawlins seufzte. Nach einer Pause fragte er: »Warum entschieden Sie sich, nach Lemnos zu kommen?«
    »Ein Mann namens Boardman brachte mich auf die Idee.«
    Rawlins zuckte bei der Erwähnung des Namens unwillkürlich zusammen.
    Müller beäugte ihn aufmerksam. »Kennen Sie ihn?«, fragte er.
    »Nun, äh – ja. Natürlich. Er ist ein bedeutender Mann in der Regierung.«
    »Das kann man sagen. Boardman war es, der mich nach Beta Hydri Vier schickte, wussten Sie das? Oh, er brauchte seine Trickkiste nicht auszupacken, er brauchte mich nicht mit seinen schmierigen Methoden einzuwickeln. Er kannte mich gut genug. Er packte mich einfach bei meinem Ehrgeiz. Es gibt da eine Welt mit einer unbekannten Rasse, sagte er, und wir brauchen einen Mann, der sie besucht. Eine selbstmörderische Mission, aber es wird der erste Kontakt der Menschheit mit einer anderen intelligenten Spezies sein. Sind Sie interessiert? Natürlich ging ich. Er wusste, dass ich einem so ruhmverheißenden Angebot nicht widerstehen konnte. Und danach, als ich so zurückkehrte, wie ich heute bin, versuchte er mir eine Zeitlang auszuweichen – entweder weil er meine Nähe nicht ertragen konnte, oder weil er von Schuldbewusstsein geplagt wurde. Schließlich stellte ich ihn und sagte: Sehen Sie mich an, Boardman, so bin ich jetzt, wohin kann ich gehen, was kann ich tun? Ich trat ganz nahe an ihn heran. Sein Gesicht verfärbte sich. Er musste Pillen nehmen. Ich konnte den Ekel und alles in seinen Augen sehen. Und er erinnerte mich an das Labyrinth auf Lemnos.«
    »Warum?«
    »Er bot es als ein Versteck an. Ich weiß nicht, ob er es freundlich meinte, oder ob es eine vorsätzliche Grausamkeit war. Vielleicht dachte er, ich würde auf dem Weg ins Labyrinth ums Leben kommen – ein anständiges Ende für einen Burschen von meiner Art, oder jedenfalls besser als ein Ende in der Gosse oder in einer geschlossenen

Weitere Kostenlose Bücher