Exil im Kosmos: Roman (German Edition)
Gelegenheit, den Schutthaufen zu sehen. Sicherlich kennen Sie den Fall.«
Rawlins kannte ihn natürlich nicht. Errötend sagte er: »Nun, in jeder Disziplin werden mal Fehler gemacht, und überall gibt es auch Pfuscher …«
»Ich hoffe, dass es hier keine gibt. Ich möchte das Labyrinth nicht beschädigt sehen. Nicht, dass die Gefahr groß wäre. Das Labyrinth weiß sich selbst zu verteidigen.« Müller wanderte langsam an der Seite des Platzes weiter. Rawlins entspannte sich, als die Entfernung zwischen ihnen zunahm, doch Boardman ermahnte ihn, er solle in Müllers Nähe bleiben. Zu der Taktik, das Misstrauen des Mannes zu zerstreuen, gehörte eine rigorose Nichtbeachtung seiner Ausstrahlung. Rawlins biss die Zähne zusammen und eilte Müller nach. Müller erreichte die Einmündung einer Seitenstraße und bemerkte, halb zu sich selbst: »Die Käfige sind wieder zu.«
»Käfige?«
»Sehen Sie dort!«
Rawlins sah eine Art vergitterten Alkoven aus weißem Stein, ein Stück straßenabwärts noch einen. Beide schienen etwa vier Meter hoch zu sein, waren flach gedeckt und hatten massive Seitenwände.
»Es gibt insgesamt zwanzig von diesen Dingern, symmetrisch verteilt auf die umliegenden Straßen«, sagte Müller. »Seit ich hier bin, haben die Käfige sich dreimal geöffnet. Die steinernen Gitterstäbe versinken irgendwie im Straßenpflaster. Das dritte Mal war vor zwei Nächten. Den Vorgang des Öffnens und Schließens habe ich nie gesehen, auch diesmal versäumte ich wieder den richtigen Moment.«
»Wozu wurden die Käfige nach Ihrer Ansicht verwendet?«, fragte Rawlins.
»Um gefährliche Tiere darin zu verwahren. Oder gefangene Feinde. Für was sonst würden Sie einen Käfig verwenden?«
»Und wenn sie sich jetzt öffnen …«
»Die Stadt sucht noch immer ihren Bewohnern zu dienen. Es gibt Feinde in den äußeren Zonen. Die Käfige sind bereit für den Fall, dass die Feinde gefangengenommen werden.«
»Sie meinen uns?«
»Ja. Feinde.« In Müllers Augen glitzerte jähe paranoide Wut. Es war alarmierend, wie rasch er von vernünftigem Gespräch in unberechenbaren Hass umkippen konnte. »Homo sapiens. Die gefährlichste, die grausamste, die verächtlichste Bestie im Universum!«
»Sie sagen es, als ob Sie es glaubten.«
»Ich sage es, weil ich es weiß!«
»Kommen Sie«, sagte Rawlins. »Sie widmeten Ihr Leben dem Dienst an der Menschheit. Sie können nicht im Ernst der Überzeugung sein …«
»Ich widmete mein Leben«, sagte Müller langsam und mit Nachdruck, »dem Dienst an Richard Müller.« Er schwang herum, so dass er Rawlins direkt gegenüberstand. Sie waren fünf Meter auseinander, aber Rawlins fühlte die Ausstrahlung fast so stark, als ob sie Nase an Nase stünden.
»Die Menschheit war mir schon immer gleichgültiger als Sie glauben mögen, Ned«, sagte Müller. »Ich sah die Sterne, und ich wollte hinauf. Eine Welt war mir nicht genug. Ich wollte sie alle sehen. Also verbiss ich mich in eine Karriere, die mich zu den Sternen führen würde. Ich riskierte mein Leben tausendmal. Ich ertrug die phantastischsten Temperaturextreme. Ich vergiftete meine Lungen mit den Gasen fremder Atmosphären. Ich aß Speisen, deren bloße Erwähnung Ihnen Übelkeit verursachen würde. Schuljungen verehrten mich und schrieben Aufsätze über meine selbstlose Hingabe an das Wohl der Menschheit, meinen unermüdlichen Wissensdurst. Lassen Sie sich belehren: Ich bin etwa so selbstlos wie Kolumbus und Marco Polo und Magellan. Sie waren große Entdecker, ja, aber sie waren auch auf Ruhm und fette Profite aus. Ich wollte Statuen von mir auf hundert Planeten. Wenn der Mensch zu hoch hinauswill, werfen die Götter ihn nieder. Man nennt es Hybris. Ich hatte eine schlimme Portion davon. Als ich aus den Wolken hinabstieg, um die Hydraner zu besuchen, fühlte ich mich wie ein Gott. Ich war einer. Für die Hydraner bin ich vielleicht ein Gott. Damals dachte ich: Ich bin in ihre Mythen eingegangen, sie werden sich noch lange meine Geschichte erzählen, die Geschichte des fremden Gottes, der vom Himmel zu ihnen herabstieg und sie so unbehaglich machte, dass sie ihn richten mussten. Aber …«
»Der Käfig …«
»Lassen Sie mich ausreden!«, sagte Müller heftig. »Sehen Sie, die Wahrheit ist, dass ich kein Gott war, nur ein schmutziges menschliches Wesen, das Selbsttäuschungen von Göttlichkeit hatte, und die wirklichen Götter sorgten dafür, dass ich meine Lektion lernte. Sie beschlossen, mich an die haarige Bestie im
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