Exil im Kosmos: Roman (German Edition)
verständlich sein, aber mich kann es nicht kümmern.«
Und er ging fort und ließ Rawlins mit einem Fleischbrocken und dem nahezu leeren Wasserbecher im Käfig zurück.
Als Müller außer Sicht war, sagte Boardman: »Er ist ein empfindlicher und reizbarer Mensch, das lässt sich nicht leugnen. Aber ich erwartete keine Freundlichkeiten von ihm. Sie kriegen ihn schon herum, Ned. Sie sind gerade die richtige Mischung von Arglist und Naivität.«
»Und ich bin in einem Käfig.«
»Das ist kein Problem. Wir können eine Sonde schicken und Sie befreien lassen, wenn der Käfig sich nicht bald von selbst öffnet.«
»Müller wird sich nicht umstimmen lassen«, murmelte Rawlins. »Er ist voll Hass. Er dringt ihm aus allen Nähten. Wir werden ihn nie zur Zusammenarbeit bewegen können. Noch nie habe ich soviel Hass in einem Menschen gesehen.«
»Sie wissen nicht, was Hass ist«, sagte Boardman. »Und er auch nicht. Ich sage Ihnen, alles geht gut voran. Rückschläge sind unvermeidlich, aber das Entscheidende ist, dass er überhaupt mit Ihnen redet. Er will nicht hassen. Geben wir ihm eine Chance, mit Anstand von seiner starren Position herunterzukommen, dann wird er es tun.«
»Wann werden Sie die Sonde zu meiner Befreiung schicken?«, drängte Rawlins.
»Später«, sagte Boardman ausweichend. »Wenn wir müssen.«
Müller kam nicht zurück. Es dunkelte, und die Luft kühlte rasch ab. Rawlins saß unglücklich an die Käfigwand gelehnt, seine Beine von sich gestreckt. Er versuchte sich vorzustellen, wie diese Stadt in alter Zeit gewesen sein mochte, als man in diesem Käfig Gefangene zur Schau gestellt hatte. In seiner Phantasie sah er eine dichte Menge der Stadterbauer, kurz und dick, mit dichtem, kupferfarbenem Fell und grünlicher Haut, wie sie den Käfig umdrängte. Und im Käfig kauerte ein Ding wie ein Riesenskorpion und kratzte die Pflasterplatten mit seinen schwarzen Klauen. Seine feurigen Augen starrten durch die Gitterstäbe, und ein stachelbewehrter Schwanz wartete zuckend auf den Unvorsichtigen, der zu nahe käme. Fremde Klänge erfüllten die Stadt, fremde Musik, fremde Stimmen, fremdes Lachen. Der warme Moschusgeruch der langarmigen Stadterbauer, Kinder, die das Ding im Käfig anspuckten. Ihr Speichel wie Flammen. Helles Mondlicht, tanzende, ziehende Schatten. Eine gefangene Kreatur, grässlich und gefährlich, voll Sehnsucht nach ihresgleichen, nach ihrem heimatlichen Stock, wo geschwänzte, klauenbewehrte Dinger durch schimmernde Tunnels krochen. Tagelang kamen die Stadterbauer, schauten und spotteten. Die Kreatur im Käfig war angewidert von ihren massiven, behaarten Körpern und ihren spinnenhaften Fingern, von ihren flachen Gesichtern und hässlichen Hauern. Und ein Tag kam, wo der Boden des Käfigs nachgab, denn sie waren des Gefangenen aus einer anderen Welt überdrüssig, und er stürzte mit wild schlagendem Schwanz in die Tiefe hinab in eine Grube voll spitzer Messer.
Es war Nacht. Rawlins hatte seit mehreren Stunden nichts von Boardman gehört. Er hatte Müller seit dem frühen Nachmittag nicht gesehen. Tiere schlichen über den mondbeschienenen Platz, die meisten von ihnen klein, nichts als Zähne und Krallen. Rawlins war unbewaffnet gekommen. Er war entschlossen, jedes Tier zu zertrampeln, das durch die Gitterstäbe seines Käfigs schlüpfte.
Hunger und Kälte quälten ihn. Er spähte in die Dunkelheit und hoffte, dass Müller zurückkäme. Dies hatte längst aufgehört, ein Scherz zu sein.
»Können Sie mich hören?«, grollte er. »Boardman, verdammt noch mal, warum rühren Sie sich nicht?«
»Wir werden Sie bald herausholen«, antwortete Boardmans Stimme.
»Ja, aber wann?«
»Wir haben eine Sonde unterwegs, Rawlins.«
»Seit wann?«
»Die erste wurde schon vor drei Stunden auf den Weg gebracht …«
»Dann müsste sie hier sein! Diese inneren Zonen sind nicht gefährlich.«
Boardman machte eine Pause. »Müller fing die Sonde ab und zerstörte sie vor einer Stunde.«
»Warum haben Sie mir nichts davon gesagt?«
»Wir schicken mehrere Sonden gleichzeitig«, sagte Boardman zögernd. »Müller wird wenigstens eine von ihnen übersehen. Alles ist in bester Ordnung, Ned. Sie sind nicht in Gefahr.«
»Bis etwas passiert«, sagte Rawlins grimmig.
Er stand auf und bewegte die kältestarren Glieder. Er steckte seine Hände in die Taschen und lehnte mit eingezogenen Schultern an der Seitenwand des Käfigs, wartete. Hundert Meter entfernt, draußen auf dem Platz, fiel eine kleine,
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