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Exil - Wartesaal-Trilogie ; [3]

Exil - Wartesaal-Trilogie ; [3]

Titel: Exil - Wartesaal-Trilogie ; [3] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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wollen: aber Alkovenschnüffelei, das haben wir nicht nötig.«
    Jetzt ärgerte sich Heilbrun ernstlich. Er richtete sich vollends hoch, leise ächzend. Stand auf. Groß, gut angezogen, doch in der Haltung etwas verlottert, stand er vor Trautwein, schaute ihn aus den braunen, immer blutunterlaufenen Augen böse an. »Die ›P. N.‹ sind nicht da«, sagte er, »um akademische Untersuchungen anzustellen, was im politischen Kampf erlaubt ist und was nicht. Meine Artikel sollen praktische Folgen haben, sie wollen wirken, zu diesem Zweck hab ich sie geschrieben. Gewiß, es bedeutet nicht viel, wenn Herrn Wieseners Stellung erschüttert wird, aber etwas bedeutet es doch. Ich verstehe nicht, warum wir gerade diesem Wiesener gegenüber so delikat sein sollen. Soll ich mich an vornehme Regeln halten, wenn der andere dauernd unter den Gürtel schlägt? Es ist Ihnen vielleicht nicht unbekannt, lieber Trautwein, daß wir und die Nazi in einem Kampf auf Leben und Tod stehen. Da kann man nicht immer Handschuhe anziehen.«
    Er redete sich in immer größere Erbitterung hinein, wurde seinesteils tückisch, ging zum Angriff über. »›Sei nicht allzu weise und nicht allzu gerecht‹«, zitierte er, »›auf daß du nicht verderbest.‹ Es wäre nützlich, lieber Trautwein, wenn Sie diesen guten Spruch besser beherzigen wollten. Auch unterm Strich. Unser entscheidendes Kriterium bei der Prüfung einer Arbeit muß sein: nützt sie unserer Sache oder nicht?«
    »Ja, und?« fragte verwundert Trautwein, er wußte durchaus nicht, wo der andere hinauswollte. »Ich spreche natürlich«, erklärte Heilbrun, »von der Emigrantennovelle dieses HarryMeisel, die Sie über den Kopf Ihrer Kollegen hinweg ins Blatt gesetzt haben. Solche Scherze können wir uns nicht leisten.« Er stieß den viereckigen Kopf mit dem eisengrauen Stichelhaar kräftig gegen Trautwein vor, seine Schultern hingen nicht mehr, sie waren gestrafft. »Ich bin gewiß der letzte«, erklärte er, noch großartiger als sonst, »der sich einem jungen Talent entgegenstellte. Ich habe Sie vor Gingold gedeckt, als Sie die Gedichte Ihres Tschernigg brachten. Aber so wie Sie das jetzt machen, geht es nicht weiter. Wenn es sich um eine Sache handelt, die dafür steht, dann nehme ich die Empörung der Leser auf mich. Aber diese Empörung für die short story Ihres Harry Meisel herauszufordern, nein, mein Lieber, da mache ich nicht mit. Dazu ist unsere Situation zu ernst. Die Leser wüten. Wir haben einen Niagara von empörten Zuschriften gekriegt. Und das schlimme ist: die Leute haben recht. Wir können keine Geschichten bringen, in denen Emigranten eine so zweifelhafte Rolle spielen wie in dem Elaborat Ihres Schützlings. Ist es nicht genug, daß die Emigranten von allen Seiten schlechtgemacht werden? Sollen wir noch selber das eigene Nest bekacken? Was Sie da getan haben, geschätzter Herr Trautwein, verstößt gegen die Interessen des Blattes. Ich begreife die Leser. Ich bin auf seiten Gingolds. Ich bin gegen Sie.«
    »Das tut mir leid«, krähte streitbar Trautwein, »aber Sie haben mich nicht überzeugt. Wozu haben wir das Blatt, wenn wir nicht die Wahrheit sagen dürfen? Und wenn wir die Wahrheit über uns selber nicht sagen dürfen, wo sollen wir dann den Mut hernehmen, sie über die andern zu sagen, über unsere Gegner? Gerade das, und nur das, gibt uns das Recht, die andern anzugreifen, daß wir die Wahrheit sagen und die andern lügen. Die Leser wüten«, höhnte er, »solche Hornochsen, solche blöden Lackel. Schämen sollten wir uns, für solche Leser zu schreiben. Glauben die Esel vielleicht, daß die Emigration aus lauter Helden und Engeln besteht? Froh sollten sie sein, daß sie einen Dichter unter sich haben wie Harry Meisel.«
    »Sie sind es aber nicht«, belehrte Heilbrun seinen Redakteur und war schon wieder mild und sachlich. Er konnte sich nicht helfen, der Mann, wie er so daraufloswetterte, gefiel ihm. Er zog sich also wieder ins Väterliche, Weltweise zurück. »Da wir nun einmal für solche Leser schreiben«, setzte er seinem Mitarbeiter auseinander, »und da wir leider von ihnen abhängig sind, ist es nicht opportun, eine Novelle zu bringen wie die Ihres Meisel. Wahrscheinlich ist sie sogar gut, ich habe sie mir im Ärger nicht genau auf ihre Qualität angeschaut. Aber mit so gefährlichen Sachen sollten Sie in Zukunft vorsichtig sein, auch wenn sie gut sind.« – »Ich hab ja die Geschichte nicht für gefährlich gehalten«, erklärte naiv und fast schon

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