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Exil - Wartesaal-Trilogie ; [3]

Exil - Wartesaal-Trilogie ; [3]

Titel: Exil - Wartesaal-Trilogie ; [3] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Menschliche?« Es ist doppelt unfair, ihn gerade jetzt, unmittelbar nach dieser infamen Attacke, in eine solche Versuchung zu führen.
    Dies alles war, im Ablauf eines einzigen Moments, in dem Schriftsteller und Journalisten Erich Wiesener, während die Stimme aus dem Telefonapparat verklang. Wie einer im Augenblick des Sterbens sein ganzes Leben überfliegt, so übersah er in diesem Atemzug den Weg, den er zurückgelegt hatte, seine mühevolle Karriere und die Wechselfälle seiner Freundschaft mit Lea. »Wie man der Verleumdungskampagne einer gewissen Presse ein Ziel setzen könne.« Die Schwingung war noch in der Luft, die Stimme war noch in seinem Ohr, als er bereits, mit seinen Erwägungen zu Ende, erwiderte: »Gewiß, Parteigenosse, selbstverständlich«, in seinem Ton aber lag wieder die Ergebenheit, Andacht, Disziplin wie vor dem Zwischenfall.
    Des Parteigenossen Heydebregg Stimme war laut genug, daß auch Maria sie deutlich hatte verstehen können. Was Wiesener erwidert hatte, war das Gegebene, das einzig Richtige, sie selber an seiner Stelle hätte nichts anderes erwidert, sie billigte es aus sachlichen und aus persönlichen Gründen. Wie er es aber erwidert hatte, die Servilität, mit welcher er seine drei Worte dem andern zu Füßen gelegt hatte, das widerte sie so an, daß sie die Miene verzog.
    »Bis wann kann ich die Niederschrift Ihres Projekts in Händen haben, ins Detail ausgearbeitet?« fragte die ungeölte Stimme aus dem Apparat. »Bis wann benötigen Sie das Memorandum, Parteigenosse?« fragte Wiesener zurück. »Ende der nächsten Woche«, kam die Antwort. »Ich schicke Ihnen das Schriftstück Mitte der Woche«, erwiderte Wiesener.

Zweites Buch
Pariser Nachrichten
    Müd alles des, schrei ich nach Ruh im Tod.
    Seh ich Verdienst in Lumpen und verlacht
    Und dürftiges Nichts in Glanz und höchster Macht
    Und reine Treu meineidig in der Not
    Und goldne Ehre schändlich mißverwandt
    Und Keuschheit, edeln Zartsinn roh geschwächt
    Und das Vollkommne ungerecht verbannt
    Und Kraft durch krumme Führung abgeflächt
    Und Kunst lahm, mundtot vor der Obrigkeit
    Und Geist vor leerer Narrheit ohne Recht
    Und Wahr und Grad mißnannt Einfältigkeit
    Und Sklaven Gut im Dienst des Herren Schlecht:
    Des alles müd, schrei ich nach Ruh im Tod.
    Shakespeare

1
Chez nous
    »Ich sag es Ihnen, wie es ist, Kollege«, ereiferte sich, krähend, Sepp Trautwein, er tappte, die Füße nach innen gestellt, heftig, unmanierlich durch Heilbruns kahles und prunkvolles Büro. »Mir gefällt Ihr Artikel gegen Wiesener gar nicht. Er mißfällt mir. Wir sollten Methoden, wie Sie sie da anwenden, nicht brauchen. Solche Methoden sollten wir den Scheißkerlen von drüben überlassen.«
    Heilbrun lag auf der Couch in seiner Lieblingshaltung, die Arme hinterm Kopf verschränkt, er war unausgeschlafen, doch merkte man ihm das weniger an als sonst. Der Angriff Trautweins traf ihn. Vorläufig aber beschränkte er sich darauf, mit milder Ironie zu erwidern: »Ja, weil wir mit der Vornehmheit so gute Erfahrungen gemacht haben. Weil die Herrschaften drüben auf Vornehmheit so vornehm reagieren.« Er richtete sich hoch, setzte Trautwein seine Gründe auseinander. »Wiesener«, sagte er, »ist der Schlimmste von allen. Die andern sind Dummköpfe und brüllen einfach nach, was ihnen das Reklameministerium vorbrüllt. Aber Wiesener weiß genau, was er tut. Ein Feind von seiner Intelligenz ist gefährlicher als hundert dumme Schimpfer. Ihn anzugreifen, seine Stellung ins Wanken zu bringen, ist notwendig, ist ein Verdienst.«
    Heilbruns Logik bewirkte, daß Trautwein in seinem aufgeregten Gang durch das Zimmer innehielt. Heilbruns Argumente stimmten natürlich. Allein der Eifer für die gute Sache war sicherlich nicht der einzige Grund der wilden Attacke auf Wiesener, sondern es bestand zwischen den beiden schon von Berlin her scharfe Rivalität. Diese Rivalität, nahm Trautwein an, hatte Heilbruns Angriff so bösartig und persönlich gefärbt, und das war es, was den ebenso anständigen wie heftigenMann bewog, dem andern derart zuzusetzen. »Wir können doch nicht«, erregte er sich, »Wiesener angreifen, weil er sich nicht an Prinzipien hält, die wir selber bekämpfen und verhöhnen. Lassen Sie ihn doch Rassenschande treiben, soviel er will. Nicht daß er das tut, macht ihn zu einem Schuft, sondern die bewußte Verlogenheit seiner politischen Haltung und Methode. Werfen Sie ihm vor, was ihm vorzuwerfen ist, sagen Sie es ihm, so derb Sie

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