Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Exil - Wartesaal-Trilogie ; [3]

Exil - Wartesaal-Trilogie ; [3]

Titel: Exil - Wartesaal-Trilogie ; [3] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
Vom Netzwerk:
er ein bescheideneres, sorgloses Leben vor, und sein Genießerdasein ist ihm mehr Pflicht als Freude.
    Benjamin hatte sich mittlerweile eine Zigarre angesteckt. »Hören Sie, Sepp«, rückte er näher, »worum ich Sie bitten wollte. Ich muß auf ein paar Tage fort. Nicht zu meinem Vergnügen. Man will mir einen richtigen Paß verschaffen. Haben übrigens Sie Ihre Papiere in Ordnung?« unterbrach er sich. »Mein deutscher Paß läuft bald ab«, antwortete Trautwein. »Meine Frau hat schon Schritte getan, daß ich dann irgendein Papier kriege. Das überlasse ich ihr, sie macht das besser als ich.« – »Sie haben’s gut« seufzte Benjamin. »Wenn ich meiner Ilse so was zumuten sollte, ich käme schön an. Jedenfalls, das Identitätspapier, das ich jetzt habe, ist unpraktisch für einen, der viel reisen muß. Und ich muß viel reisen. Sonst kriege ich das Material für meine ›Plattform‹ nicht zusammen. Wenn ich erst einen anständigen Paß habe, dann geht alles leichter, dann kann ich vielleicht sogar die Arbeit an den ›P. N.‹ hinschmeißen und meine Zeitschrift richtig ausbauen. Es ist lächerlich, was man alles unternehmen muß, damit einem ein Beamter unter Aufdrückung eines Siegels bestätigt, daß man ist, wer man ist. Schon an diesem Elend der Paßlosen zeigt sich, wie müßig alles Gerede ist von internationalen Regelungen, Verständigungen, Völkerbund und dergleichen. Man möchte die Wand hochgehen. Nicht einmal so viel hat man fertiggebracht, daß man die Identifizierung eines Menschen international regeln kann. Hunderte sind in diesen paar Jahren kaputtgegangen, einfach weil sie kein gültiges Papier auftreiben konnten.«
    Benjamins Worte erinnerten Trautwein an jene Vorträge über die kleinen Sorgen des Alltags, mit denen Anna ihn zulangweilen pflegte. Diese Dinge sind scheußlich, zugegeben, aber das hat er zur Kenntnis genommen, als Ganzes, ein für allemal, und Einzelheiten will er nicht wissen. »Sie haben also Aussicht, einen richtigen Paß zu kriegen?« fragte er, Benjamin weitere allgemeine Erörterungen abschneidend. »Ja«, erwiderte der. »Aber ich muß zu diesem Zweck auf ein paar Tage nach Basel. Ich habe schon mit dem Alten gesprochen, wegen Urlaubs. Er macht natürlich Schwierigkeiten. Aber ich habe ihn so weit, daß er mir Urlaub geben will, falls ich einen richtigen Vertreter stelle.« Er schaute Trautwein an, lächelnd, und fuhr mit einem netten, bescheidenen Ton kollegialer Vertraulichkeit fort: »Darum bin ich zu Ihnen gekommen, Sepp. Wollen Sie mir den Gefallen tun?«
    Trautwein saß da, gespaltenen Gefühls. Es wäre ganz angenehm, ein paar hundert Franken mehr zu verdienen, es machte ihm Spaß, Anna die Scheine in die Hand zu drücken. Auch hat er schon einmal ähnliche Aushilfe geleistet und kann einem Mann wie Benjamin den geringfügigen Dienst schwerlich verweigern. Andernteils ist es kein Vergnügen, an den »P. N.« als Redakteur zu arbeiten, er hat da, gerade als er den Redakteur Berger vertrat, keine guten Erfahrungen gemacht. Als Mitarbeiter ist man sein eigener Herr, als Redakteur muß man Kontakt mit den andern halten, und mit Gingold arbeiten ist nicht leicht. »Die Perser« würden auch liegenbleiben müssen, und heute früh war er so in Stimmung. »Wieviel Tage werden Sie fort sein?« fragte er zögernd. »In vier Tagen bin ich zurück«, antwortete lebhaft Benjamin, »spätestens in fünf. Seien Sie nett«, drängte er. »Tun Sie mir die Liebe. Wir haben da«, lächelte er, »gerade noch mächtig geschimpft über die Sinnlosigkeit unserer Arbeit. Aber wenn Sie an meinem Schreibtisch sitzen, dann werden Sie sehen, daß wir zu Unrecht gemeckert haben. Sie werden Echo spüren, Wirkung. Das müssen Sie doch gemerkt haben, als Sie damals Berger vertreten haben. Die Zustände an den ›Nachrichten‹ sind scheußlich; aber es ist großartig, daß wir das Blatt haben und daran arbeiten können.«
    Er sprach ohne Pathos, doch das Lächeln und die Besessenheit des Mannes machten Eindruck auf Trautwein. Fünf Tage nur wollte Benjamin fortbleiben, und auf Benjamin war Verlaß. »Ich weiß übrigens nicht«, machte er einen letzten, halben Einwand, mehr der Form zulieb, »ob Gingold mich wird haben wollen. Er und ich, wir hackeln uns immerfort.« – »Also Sie sagen zu«, konstatierte beschwingt Benjamin. »Ich danke Ihnen, Sepp. Ich telefoniere gleich mit Gingold.«
    Trautwein, während Benjamin am Telefon war, lehnte sich in seinen Stuhl zurück, die Beine unmanierlich

Weitere Kostenlose Bücher