Exil - Wartesaal-Trilogie ; [3]
hatte ihn innig erheitert. Er war zufrieden mit seinem Projekt im ganzen und im einzelnen. Er hat gute, saubere Arbeit geleistet, er hatdie Aufgabe, die man ihm gestellt, großartig gelöst, bestimmt wird ihn das Memorandum bei Heydebregg rehabilitieren.
Gehrke witterte das alles. Aber er war sich bewußt, die schwache Stelle des Projekts mit Sicherheit erspäht zu haben, und diesmal dachte er gar nicht daran, dem andern kampflos das Feld zu räumen. Heydebregg seinesteils hatte die neu erstandene Rivalität der beiden wohl bemerkt. Er hatte, als er die beiden zu einer Aussprache einlud, kaum gehofft, von ihnen Neues zu hören. Wieseners Plan hatte ihn von Anfang an gelockt, aber auch er hatte erkannt, daß seine Ausführung viel Zeit kosten mußte. Was er sich von dieser Aussprache erhoffte, war, daß sie ihm das Für und Wider lebendiger und ihm die Entscheidung leichter machen werde.
Da saßen also die drei gepflegten Herren in dem kleinen Salon des Hotels Watteau auf den zierlichen, blauen Samtstühlen. Sie hatten viel Schicksal gemacht, die drei Herren, und werden auch in Zukunft über manche Schicksale zu befinden haben. Sie waren drei gefräßige Tiere, recht vital, sie waren nicht eben blutdürstig, aber sie wurden gefährlich, wenn man sie reizte. Wenn ein Mensch von bildkräftiger Phantasie sie so beisammen sah, auf ihren blauen Stühlchen, dann mochten sie sich ihm in drei Raubtiere verwandeln, die in der Manege auf ihren Hockern sitzen, gezähmt vom Willen eines Dompteurs, kaum knurrend, allein schon im nächsten Augenblick kann die Natur der Katzen die Kunst der Zähmung durchbrechen.
Heydebregg, nach kurzer Einleitung, forderte Gehrke auf, sich zu Wieseners Projekt zu äußern. Spitzi begann sogleich die Feinheiten des Planes darzulegen, sachverständig rühmte er seine nordische List, das Raffinement, mit welchem ein moderner Machiavellismus in den Dienst der guten Sache gestellt sei, die Umsicht, mit der Wiesener jedes Detail berücksichtigt habe.
Wiesener hörte zu, verbindlichen Gesichtes, und wartete. Er wartete auf das große Aber, das bestimmt kommen wird. Er hatte für Spitzi immer Sympathien gehabt. Auch jetzt, wieer Spitzi so sitzen und über die »P. N.« sprechen sah, nonchalant, die Nase ein bißchen schräg nach aufwärts gerückt, ganz leise und hochmütig schnüffelnd, gefiel er ihm. Diese herrenhafte Lässigkeit kann man nicht lernen, sie muß einem angeboren sein. Überdies war Wiesener Spitzi verpflichtet. Der hatte den Floh, den Wiesener ihm ins Ohr gesetzt, nicht nur nicht selber springen lassen, er hatte sich vielmehr tadellos benommen und ihm das Material über die »P. N.« beschafft; ja wenn man es genau nahm, war es Spitzi, dem Wiesener die Rettung aus dem letzten Schlamassel verdankte. Dennoch und trotz aller kollegialen Anerkennung, die Spitzi ihm zollte, roch Wiesener die über Nacht entstandene Rivalität, spürte er, daß ein Aber nachkommen wird.
Da war es auch schon, das große Aber. Bei allen ungeheuern Vorzügen des Projekts, meinte nämlich Herr von Gehrke nachdenklich, freundschaftlich besorgt, sei es behaftet mit einem schweren Nachteil. Seine Durchführung werde Zeit kosten, viel Zeit. »Und wenn auch«, lächelte er, »unser Regime tausend Jahre dauern wird, so liegt uns doch allen am Herzen, daß man den Emigranten die Dreckschleuder schon vorher aus der Hand schlägt. Wenn ich«, schloß er, »den Parteigenossen Heydebregg richtig verstanden habe, dann wünscht man auch in Berlin, daß wir die ›P. N.‹ nicht etwa übers Jahr, sondern sogleich lahmlegen.«
Wieseners Miene blieb während dieser Einwände genauso verbindlich wie während der Worte des Lobes. In seinem Innern gab er zu, daß der andere gut gezielt und gut geschossen hatte. »Parteigenosse von Gehrke«, räumte er höflich ein, »hat recht. Aber es bleibt zu bedenken, daß, wenn man die ›P. N.‹ schnell abwürgt, ein solches Vorgehen peinliches Aufsehen erregen wird. Meine Methode hat Zeitverlust zur Folge, stimmt. Wird aber dieser Zeitverlust nicht reichlich aufgewogen durch die Vorteile, welche die unsichtbare Verwandlung der feindlichen Zeitung in ein Propagandainstrument mit sich bringt?«
Spitzi, noch höflicher, gab alles zu. Dann jedoch, unbeirrt, kam er auf seinen Einwand zurück. War es zweckmäßig, langezu warten? Und war es nationalsozialistisch gehandelt? Entsprach es der Ideologie und der üblichen Praxis der Partei? Das legte er dar, sachlich, nicht ohne Schwung. Doch dann
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