Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Exil - Wartesaal-Trilogie ; [3]

Exil - Wartesaal-Trilogie ; [3]

Titel: Exil - Wartesaal-Trilogie ; [3] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
Vom Netzwerk:
größere Aufgaben und brauchte zu ihrer Durchführung fähige, verlässige Mitarbeiter. Bis jetzt hatte er eigentlich nur Wiesener gefunden, und er bedauerte, daß die Umstände ihn nötigten, sich, zumindest auf einige Zeit, von dem gewandten, sympathischen Mann zu distanzieren. Was war mit diesem Gehrke los? War es ratsam, ihn zu engerer Mitarbeit heranzuziehen? Die Empfehlung des Bären hatte ihn den sogenannten Spitzi von vornherein mit freundlichen Augen betrachten lassen. Er hatte ihn »feudal« gefunden, nicht unangenehm und im Besitz jener Einsatzbereitschaft, auf welche die Partei so viel Gewicht legte. Doch andernteils verkannte Heydebregg mit seiner ebenso primitiven wie treffsichern Psychologie nicht, daß Herr von Gehrke windig war, daß er das war, was man auf dem Zauberberg, auf dem Landsitz des Führers, einen Schlawiner zu nennen pflegte. Er ließ es sich also gefallen, daß Spitzi sich dringlicher um ihn bewarb, aber er dachte nicht daran, Wiesener endgültig durch ihn zu ersetzen. Gönnerhaft und bedeutend, während Spitzi sein jugendlich reumütiges Geständnis machte, ging er auf und nieder, den zierlichen, blauen Rokokosalon des Hotels Watteau ganz ausfüllend, und: »WennSie, mein lieber Gehrke«, sagte er schließlich schulmeisterlich, »aus dem Fall Benjamin die Lehre gezogen haben, daß der richtige Nationalsozialist eine Angelegenheit erst dann startet, wenn er einundfünfzigprozentige Sicherheit des Erfolges hat, dann hat der Fall auch sein Gutes gehabt. Im übrigen ist diese Sache Benjamin abgetan. Ich habe sie selbst in meine Hände genommen.«
    Unwillkürlich richtete Spitzi den Blick auf diese Hände. War nun trotzdem ein fait accompli geschaffen? Allein sogleich erwies sich, daß er sich durch den Schein hatte täuschen lassen. Mit wohlwollender Vertraulichkeit nämlich fuhr der Parteigenosse fort: »Wir werden den Vorschlag der Schweiz annehmen und das für ähnliche Fälle vertraglich vorgesehene Schiedsgericht akzeptieren. Wir werden die Konstituierung dieses Schiedsgerichts nach Möglichkeit hinauszögern. Wir werden versuchen, sichere Leute hineinzubekommen. Und selbst wenn wir dann, schlimmsten Falles, genötigt sein sollten, Ihren Benjamin wieder zurückzuliefern, so wird das erst geschehen, wenn die Sache altbacken ist. Sollen dann in Dreiteufelsnamen ein paar tausend Emigranten Halleluja singen: die übrige Welt wird sich einen sogenannten Dreck darum kümmern.« Er kam, der wuchtige Mann, einen Schritt näher, stellte sich vor Spitzi hin, lächelte, sein Gesicht zerfiel in lauter Teilchen, wodurch es beängstigend schlau und grimmig aussah, und er las Spitzi ein kleines, freundschaftliches Privatissimum über nationalsozialistische Außenpolitik. »Die Eidgenossen«, ließ er sich aus, »haben uns verschiedene Milliarden geliehen, die sie kaum zurückerhalten werden. Wenn es gar nicht anders geht, liefern wir ihnen in Gottes Namen zum Entgelt Herrn Friedrich Benjamin. Mögen sie sich daraus ein Festessen machen.«
    Es hatte also der Tod von Basel das Wänzchen doch nicht geholt. Spitzi hörte es zwiespältigen Gefühls. Wiewohl der Parteigenosse ihm nichts nachzutragen schien, konnte der Fall Benjamin, solange der Hauptbeteiligte in der Welt war, nach wie vor für ihn selber böse Folgen haben. Andernteils,und das erwog Spitzi listig und blitzschnell, hatte er jetzt eine Möglichkeit, Heydebreggs Mißstimmung gegen Wiesener zweckdienlich zu steigern.
    Da man den Fall Benjamin, erklärte er, einmal in offenem Männergespräch erörtere, möchte er auf ein Gerücht hinweisen, welches dem widerwärtigen Gekläff um diese fatale Sache immer neue Nahrung gebe. »Die Emigranten verbreiten nämlich«, berichtete er, »wir hätten Fritzchen Benjamin erledigt, wir hätten ein fait accompli geschaffen. Selbst gute Parteigenossen«, fügte er hinzu, »wagen nicht, diesen Verdacht so klar und glatt abzuweisen, wie er es verdient. Unser Freund Wiesener zum Beispiel wird ernsthaft hin und her gerissen von Zweifeln, ob das Wänzchen noch lebt.«
    »Ist das so?« fragte Heydebregg zurück, nichts mehr. Aber Spitzi hatte gut gezielt, sein Pfeil mußte sitzen. Wenn Heydebregg den Fall Benjamin in die Hand genommen hatte, dann hatte er sicher reiflich erwogen, ob es ratsam sei, das fait accompli herzustellen. Da er es nicht hergestellt hatte, mußte er es für eine Dummheit halten, den Fall auf solche Art zu erledigen. Da er es für eine Dummheit hielt, mußte es ihn kränken, wenn man ihm

Weitere Kostenlose Bücher