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Exil - Wartesaal-Trilogie ; [3]

Exil - Wartesaal-Trilogie ; [3]

Titel: Exil - Wartesaal-Trilogie ; [3] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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verlangten, daß die »P. N.« maßvoller würden. Vielleicht wird, wenn er ihnen das zugesteht, in Zukunft die Wirkung der »P. N.« nicht so grell in die Augen springen wie bisher, vielleicht auch werden sie in Angelegenheiten wie im Fall Benjamin weniger erreichen. Dafür aber wird Herr Gingold die Möglichkeit haben, eine ganze Reihe anderer Fälle auf dem stillen Weg über Herrn Leisegang und dessen Hintermänner zu »richten«. Eigentlich entsprach ein solches Verfahren den Neigungen und Fähigkeiten Herrn Gingolds viel mehr als zum Beispiel das wilde Draufgängertum seiner Herren im Falle Benjamin. Auch wird er auf solche stille Art nicht nur einem einzigen Beistand leisten können, sondern vielen einzelnen. Seine Redakteure sind Hitzköpfe. Sie erklären, man müsse aufs Ganze gehen, man müsse einen Kampf führen, der durch die Zerstörung des gesamten Regimes Hilfe für alle schaffe. Er, Louis Gingold, bedankt sich dafür. Ist er ein Napoleon? Wie kommt er dazu, ein einzelner, bescheidener jüdischer Geschäftsmann, das gesamte Regime der Urbösen zerstören zu wollen? Nur Leute, die nichts zu verlieren haben, nur Nebbichs, glauben sich zu solchen Taten berufen. Daß er, Louis Gingold, sich so überhebe, da sei Gott davor. Er hat, Gott sei Dank, mancherlei zu verlieren und wird das durch Gottes Segen Errungene nicht leichtsinnig preisgeben. Wenn er zur Mäßigung mahnt, dann halten seine Angestellten ihm entgegen, das, was sie druckten, sei nichts als die reine Wahrheit. Aber wie kommt gerade er, Gingold, dazu, diese Wahrheit zu drucken? Und wenn schon Wahrheit, muß man denn immer die ganze Wahrheit drucken? Häufig ist es nützlicher, nur mit einem Teil herauszurücken. Eigentlich ist es ihm lieb, daß die Offerte Herrn Leisegangs ihm Anlaß gibt, seine Redakteure klein zu machen. Mit großen Reden, wie die sie halten, ist wenig getan. Viel hingegen ist erreicht, wenn zum Beispiel er einen Teil seines Geldes aus Deutschland herausbekommt. Und mit Hilfe dieser neuen Konjunktur wird er das viel schneller. Von dem so geretteten Geld wird er dann seinesteils wieder einengroßen Teil für gute Werke verwenden. Zwar hat er bisher schon, wie es Vorschrift ist, den Zehnten seines Vermögens für verdienstliche Zwecke gespendet, hat Stiftungen gemacht für Synagogen, Wohltätigkeitsanstalten, hat private Wohltätigkeit geübt; aber er hat sich gestattet, diesen Zehnten in der Währung zu entrichten, welche ihm für sein wirkliches Bankkonto die vorteilhafteste schien, und da immer wieder ein neues Land seine Währung herabsetzte, so hat Herr Gingold bei der Entrichtung dieses Zehnten große Einsparungen machen können. In Zukunft aber, das gelobt er jetzt, wird er diesen Zehnten immer in Pfunden oder in Dollars entrichten.
    »Der da Frieden stiftet in seinen Höhen, der wird auch Frieden stiften für uns und für ganz Israel, und darauf sprechet Amen«, betete er, trat, wie es Vorschrift ist, drei Schritte zurück und wieder drei Schritte vor und verneigte sich tief.
9
Ein Gefangener auf Urlaub
    »Monsieur Trautwein, ans Telefon«, plärrte die kleine Tochter des Herrn Mercier, des Besitzers des Hotels Aranjuez, die Treppe herauf. Sepp Trautwein liebte es nicht, ans Telefon gerufen zu werden. Es gab dann immer eine unbehagliche Unterhaltung mit Herrn Mercier. Herr Mercier und Sepp Trautwein verstanden sich nicht gut. Herr Mercier war ein kleiner Rentner, auf den Centime bedacht; dabei hatte er als Südfranzose die Gewohnheit, sowie man eine im Augenblick entstandene Schuld im Augenblick begleichen wollte, vielwortig zu betonen, daß das durchaus nicht eile, es aber dem Schuldner auf Monate hinaus nachzutragen, wenn der dann nicht trotzdem auf sofortiger Begleichung bestand. Das führte zu Unzuträglichkeiten, und wenn Sepp ans Telefon gerufen wurde, das sich unten im Büro des Hotels befand,fürchtete er immer, Herr Mercier werde bei dieser Gelegenheit Reden führen, voll von schwer verständlichen Anzüglichkeiten.
    Diesmal kam es nicht so. Herr Mercier wies vielmehr mürrischen Gesichtes, doch mit höflichen Worten auf den ausgehängten Telefonhörer und sagte: »Man verlangt Sie aus dem Hotel Crillon.« Trautwein meldete sich mit einem gut münchnerisch ausgesprochenen Hallo. Aus dem Telefon fragte eine Stimme in schlechtem Französisch, ob man Monsieur Trautwein sprechen könne. Die Stimme bemühte sich, den Namen Trautwein französisch auszusprechen, so daß er wie Trotueng klang. Sepp Trautwein entnahm

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