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Exil - Wartesaal-Trilogie ; [3]

Exil - Wartesaal-Trilogie ; [3]

Titel: Exil - Wartesaal-Trilogie ; [3] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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entgegenstellen könnte.
    »Ich ginge schrecklich ungern aus Paris fort«, bekennt er also schlicht und plagt sich nicht erst damit ab, Argumente anzuführen. »Aber es wäre höchst unvernünftig, in Paris zu bleiben«, faßt Anna ruhig und sachlich die ihren zusammen. Er ist ihr dankbar, daß sie nicht aufbegehrt und dringlicher wird. »Ich werde mir alles überlegen«, verspricht er abschließend, ausweichend, »es hat ja noch Zeit.« – »Es hat nicht viel Zeit«, beharrt sie, »der Doktor drängt auf Bescheid.« – »Sei gemütlich, Alte«, bittet er, herzlich, liebenswürdig, wie ein Schüler, der von seinem Lehrer einen freien Tag erbittet. »Oder muß ich schon heute abend ja sagen? Jetzt gleich?« Er legt ihr den Arm um die Schulter, und an diesem Abend geht die Aussprache nicht weiter.
19
Cäsar und sein Glück
    Was immer Wiesener begann, die Gefahr, die Raoul, dieser Rotzlöffel, mit seinem Jugendtreffen über ihn heraufbeschworen hatte, war überall und immer um ihn wie schwere, drükkende Luft. Am meisten verdroß ihn, daß er tatenlos dahocken und warten mußte und nichts unternehmen konnte, um das herannahende Unheil abzuwehren. Spitzi hatte sein Memorandum über das Treffen der »Jeanne d’Arc« und des »Jung Siegfried« ausgearbeitet, die deutschen Stellen hatten zugestimmt, die französischen waren sehr entgegenkommend: die Designierung des jungen Herrn de Chassefierre zum Führer der französischen Delegation war so gut wie sicher. Mit Müh und Not hatte Wiesener erreicht, daß man vorläufig wenigstens die Presse noch nicht von der projektierten Jugendbegegnungbenachrichtigte. Aber einmal, in acht Tagen oder in zehn, wird die Öffentlichkeit doch von dem Treffen erfahren, Raouls Name wird genannt werden, die »P. N.« werden von neuem über ihn herfallen, und diesmal werden ihre Attacken noch giftiger sein. Jetzt rächt es sich, daß er Heydebregg ein so überlistiges Verfahren gegen das Mistblatt empfohlen hat. Dabei wäre es so einfach gewesen, diesen Gingold schlicht und plump zu kaufen und die Schmöcke von den »P. N.« brutal zum Schweigen zu bringen.
    Er zwang sich, die Arbeit am »Beaumarchais« weiterzuführen; doch der schöne Schwung der letzten Wochen war vorbei. Die Gegenwart Marias vermehrte nur sein Unbehagen. Da er sich schon mit Lea nicht aussprechen konnte, drängte es ihn, seine Ängste mit Maria zu bereden, sich von ihr trösten zu lassen, ihr ein bißchen Zuversicht vorzuspielen. Aber natürlich, gerade jetzt, wo er ihren Zuspruch gebraucht hätte, rückte sie von ihm ab und ließ ihn allein mit seiner Historia Arcana.
    Sie arbeitete weit über ihre Pflicht hinaus. Über den »Beaumarchais« mit ihm zu reden, wurde sie nie müde. Sie besorgte ihm Literatur, die er sonst übersehen hätte, machte ihn auf tote Stellen aufmerksam, auf Fehler, auf Widersprüche. Doch von den Nöten, die seine Karriere bedrohten, sprach sie kein Wort. Vergebens suchte er ihr durch kleine Scherze und Vertraulichkeiten eine Äußerung darüber zu entlocken. Absichtlich, um sie zu reizen, verbarg er ihr nicht das geringste von seinen Machinationen gegen die »P. N.«, sondern ließ sie tief hineinschauen in das Getriebe seiner Intrigen. Ging so weit, ihr Richtlinien für seinen Agenten Leisegang zu diktieren, nur um sie zu einem Wort der Empörung anzustacheln. Aber sie begnügte sich, ein angewidertes Gesicht zu machen, und schwieg.
    Endlich hielt er es nicht mehr aus. Mitten im Diktat am »Beaumarchais«, während sie eine neue Seite einspannte, unterbrach er sich. »Sagen Sie doch endlich was«, verlangte er. »Sie sind natürlich nicht einverstanden mit meinen Weisungen an Leisegang. Und Sie finden, wenn jetzt diese Geschichtemit dem Jugendtreffen und Raoul steigt und zu einem großen Krach führt, dann geschieht mir das ganz recht. So sagen Sie doch was«, wiederholte er dringlich, unbeherrscht. Maria nahm die schönen, blaßbraunen Hände nicht von den Tasten, aber über die Schulter weg schaute sie ihn zornig an. »Ich brauche doch nicht erst lange mit Ihnen zu reden«, sagte sie. »Sie wissen doch ganz genau, was ich denke.« – »Ich weiß es nicht«, log Wiesener. »Ich finde es unfreundschaftlich, daß Sie so dasitzen und mich anschweigen.« – »Warum sollte ich freundschaftlich sein?« gab Maria zurück. »Sagen Sie, was Sie von mir und meinem Vorgehen gegen die ›P. N.‹ denken«, beharrte ungestüm Wiesener. »Es ist nicht gut, für uns beide nicht, wenn Sie Ihr Gift immerzu

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