Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Exil - Wartesaal-Trilogie ; [3]

Exil - Wartesaal-Trilogie ; [3]

Titel: Exil - Wartesaal-Trilogie ; [3] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
Vom Netzwerk:
in der Klemme sein und Ihr Gehalt werde kürzen müssen. Werden Sie dann bei mir bleiben, Maria?« – »Machen Sie keine dummen Witze«, erwiderte schroff Maria, aber es klang herzlicher als seit langem.
    Dann diktierte Wiesener am »Beaumarchais«. Er wollte keinen Gedanken mehr an die Schmöcke wenden und an ihre jämmerlichen Stänkereien, keinen Gedanken mehr an den ganzen kläglichen politischen Kleinkram. Er arbeitete am »Beaumarchais«, konzentriert, mit Schwung und gutem Gelingen.
    Am späteren Nachmittag fuhr er in die Rue de la Ferme. Er war heiterster Laune. Er freute sich darauf, Lea zu zeigen, wie unverwundbar er war. Schon war es Verdienst und freier Wille, daß er der Politik entsagt und sich ganz für Lea und seine literarische Arbeit entschieden hatte.
    In der Rue de la Ferme fand er die Dienerschaft in reger Geschäftigkeit. Das Haus sollte heute abend geschlossen werden, Lea war nach Arcachon gefahren.
    Es war das erstemal, daß Lea eine Reise angetreten hatte, ohne ihn vorher zu verständigen.
    Auf den Artikel der »P. N.« hin zogen die Pariser Herren, die für das Jugendtreffen die Verantwortung trugen, Informationen über Raoul de Chassefierre und Erich Wiesener ein. Auf der deutschen Botschaft in der Rue de Lille und im Deutschen Haus, dem Pariser Zentralsitz der Partei, begann ein erregtes Debattieren, Kommentieren, Telefonieren. Der Parteigenosse Heydebregg saß finster in seinem Hotel Watteau und war für niemand zu sprechen. Spitzi war klug, er bedauerte höflich das Vorgefallene, aber er hetzte nicht mit dem leisesten Wort gegen Wiesener. Er blieb untätig; er wußte: was immer geschah, es mußte zu seinen Gunsten ausgehen. Es wurde schließlich das geplante Treffen der »Jeanne d’Arc« mit dem »Jung Siegfried« auf unbestimmte Zeit vertagt, ebenso der Beschluß darüber, ob man die Verhandlungen mit Gingold weiterführen solle.
    In der Öffentlichkeit merkte man von dem allen nichts, da man von der geplanten Jugendbewegung in der Presse noch nichts hatte verlauten lassen. Überhaupt hatte Heilbruns Artikel keine sichtbaren Folgen. Niemand dachte daran, Wiesener zur Rede zu stellen oder gar ihn vor ein Parteigericht zu zitieren. Die Wirkung, die Heilbruns Angriff ausrichtete, war stiller, tiefer, unheimlicher. Es wurde einsam um Wiesener; von denen, auf die es ankam, ließ sich keiner mehr bei ihm sehen. Die Ungnade wurde auf diese Art viel spürbarer, als wenn sie ausgesprochen worden wäre. Die Dinge um Wiesener liefen weiter, Stöße von Post kamen, den ganzen Tag läutete das Telefon: aber keiner mehr von denen sprach zu ihm, in deren Händen Entscheidungen ruhten, und keiner, an dem ihm lag.
    Der frühere Wiesener hätte dieses Schweigen nicht tatenlos hingenommen. Er hätte sich in Trab gesetzt, hätte um sich geschlagen,hätte sich abgearbeitet, die verdammte Stille zu brechen. Hätte Versuche gemacht, den Weg Heydebreggs zu kreuzen, des Botschafters, Gehrkes, die Herren zu stellen. Hätte Lea depeschiert, telefoniert, geschrieben. Der Wiesener von jetzt, der Wiesener dieses Juli, tat nichts dergleichen. Er redete sich statt dessen in eine krampfige Heiterkeit hinein, wie angenehm ein solches Leben ohne Fesseln und ohne Verantwortung sei. Er wickelte sich in Watte, um nichts zu spüren und nichts zu hören. War es nicht herrlich, in Ruhe gelassen zu werden und nicht immer Eiertänze aufführen zu müssen? Es war die wahre Freiheit. Er arbeitete unablässig und mit Schwung, und die Arbeit geriet. Er scherzte mit Maria, er hielt sich an sie, das schien ihm nicht das schlechteste. So sorglich vor sich selber versteckte er Ärger, Zorn und Enttäuschung, daß er nicht einmal die Historia Arcana etwas davon wissen ließ.
    Es ging in die zweite Hälfte Juli, es wurde sehr heiß. Ganz Paris war auf dem Land; wenn Wiesener wollte, konnte er die Verödung, die um ihn herum war, auf die Jahreszeit schieben. Er selber war sonst um diese Zeit an der See oder in den Bergen gewesen; dieses Jahr blieb er in Paris. Maria und der Historia Arcana erzählte er, wie glücklich er sei, so ungestört arbeiten zu können in der heißen, leeren Stadt.
    Man hätte tief in ihn hineinschauen müssen, tiefer, als er selbst es vermochte, um zu erkennen, wie bitter er seine Lieblingstätigkeit vermißte, das politische Ränkespiel, und wie bitter die liebe Gewohnheit des Zusammenseins mit Lea. Sein Gehaben war das eines Mannes, der seine Bestimmung gefunden hat und mit sich einverstanden ist. Virtuos und

Weitere Kostenlose Bücher