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Exil - Wartesaal-Trilogie ; [3]

Exil - Wartesaal-Trilogie ; [3]

Titel: Exil - Wartesaal-Trilogie ; [3] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Trautwein abgesägtist und daß an seiner Stelle ein verlässiger, gemäßigter Mann sitzt. Die Urbösen greifen zwar rasch zu und lassen nur langsam locker, aber bisher, man muß gerecht sein, haben sie ihre Verpflichtungen eingehalten, und sie haben noch immer Interesse an der Zähmung der »P. N.«. Wenn Leisegang sieht, daß alles stimmt, dann, in ein paar Tagen, in einer Woche, spätestens in zwei Wochen, wird sein Hindele frei sein.
    In solchen Hoffnungen hatte sich Gingold gewiegt, als die Meldung eintraf vom Tod Anna Trautweins. Er erschrak bis ins innerste Herz. Das warf alle seine neuen Entwürfe über den Haufen. Das hatten diese Trautweins nur ihm zum Tort getan, damit sein Kind, sein Hindele in den Klauen der Urbösen bleibe. Nimm dich zusammen, ermahnte er sich auf jiddisch. Denk scharf nach, streng deinen Kopf an. Du darfst nicht nochmals einen Fehler machen. Du darfst dir vor ihnen keine Blöße geben, vor diesen Frechgesichtern. Du mußt sie zähmen, mit List, mußt ihnen schöntun und ihnen um den Bart gehen, so lange, bis dein Kind, bis Hindele frei ist. Sollen sie dann tun, was sie wollen. Sollen dann die »P. N.« zusammenkrachen, soll mein Ruf als guter Jude verloren sein. Sollen meine Geschäfte in Deutschland kaputtgehen, sollen mir die Urbösen alles stehlen, was ich noch dort habe. Wenn erst mein Kind wieder frei ist, dann wiegt das wie eine Feder, und ich singe Dank und Segen dem Allmächtigen, gelobt sei sein Name.
    Das waren die Gedanken Louis Gingolds, als die Deputation der Redakteure zu ihm kam. So drohend sie anrückten, er war außerordentlich höflich zu ihnen. Sogleich begann er von dem schweren Schlag zu sprechen, der unsern lieben Freund und Kollegen, den Professor Trautwein, betroffen hatte. Der Professor hatte ihm schon die ganzen letzten Wochen nicht gefallen. Er war so aufgeregt gewesen, so übernervös. Gingold hatte Schlimmes für ihn befürchtet, besonders als er ihm zuletzt noch gar sein Amt vor die Füße geworfen hatte.
    »Ja, es ist wegen Sepps, daß wir zu Ihnen kommen«, erklärte, da die andern keinen Anfang fanden, trocken PeterDülken, und Gingold, trotz seines Willens zur Bedachtsamkeit, konnte nicht umhin, dem vorlauten Lausejungen unter der Brille weg einen seiner spähenden, bösen Blicke zuzuschicken. Doch bevor er erwidern konnte, hackte Weißenbrunn ein. »Wir finden das, was Sepp zugestoßen ist, nicht nur traurig«, ging er zum Angriff vor, »wir finden es empörend.« – »Ja«, erwiderte Herr Gingold, »sie sind Verbrecher, die Nazi, die uns das alles aufgezwungen haben.« – »Die Empörung«, antwortete mit gelassener Stimme Peter Dülken, doch seine Augen blickten heftig, »gilt diesmal nicht den Nazi, sie gilt andern, Herr Gingold.«
    Gingold saß da und strähnte den grauschwarzen, viereckigen Bart. Er muß diese Leute, die sein Hindele von neuem gefährdeten, zu besänftigen suchen, er muß ihnen gut zureden. »Sprechen Sie sich ruhig aus, meine Herren«, bat er höflich. »Ich möchte nicht, daß in dieser Sache das geringste Mißverständnis zwischen uns bestehenbleibt. Erklären Sie sich. Machen Sie sich deutlich.«
    »Das wollen wir«, antwortete mit seiner galligen Stimme Redakteur Berger, auf Präzision bedacht wie stets. »Sie behaupten, Professor Trautwein habe Ihnen sein Amt hingeschmissen. Wir glauben nicht, daß der Hergang so eindeutig war, wie Sie ihn hinstellen. Aber ob nun die Entlassung Sepps formal zu Recht erfolgt ist oder nicht, wir, die gesamten Angestellten Ihrer Redaktion, weigern uns, die Arbeit weiterzuführen ohne den Kollegen Trautwein. Wir stellen an Sie die Forderung, Herr Gingold, daß Sie Professor Trautwein bewegen, sein Amt weiterzuführen oder, wenn Sie wollen, es von neuem zu übernehmen. Wenn wir nicht bis morgen abend Garantien dafür haben, das Sepp Trautwein von übermorgen früh an wieder als festangestellter Redakteur an den ›P. N.‹ mitarbeitet, dann legen wir geschlossen die Arbeit nieder.«
    Die »P. N.« dürfen jetzt nicht zusammenkrachen, überlegte Gingold, jetzt nicht. Nicht jetzt. Wenn sie jetzt zusammenkrachen, haben die Urbösen kein Interesse mehr, mir einen Gefallen zu tun, und halten mein Kind fest in ihrem Konzentrationslagerund drangsalieren es, bis es zugrunde geht; denn sie sind rachsüchtig. In seinem Innern kochte es wie in einem Samowar, aber: Ruhig, ermahnte er sich, denk scharf nach, laß deine Wut und deinen Jammer nicht durchgehen. Einen Gedanken, großer, guter Gott, jetzt gib

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