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Exil - Wartesaal-Trilogie ; [3]

Exil - Wartesaal-Trilogie ; [3]

Titel: Exil - Wartesaal-Trilogie ; [3] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Beschluß des Streiks auf sich nahmen. Grau und groß stellte sich vor den dicken Redakteur Pfeiffer die Sorge, was aus ihm, seiner Frau und seinen Kindern werden sollte, wenn seine Bezüge aus den »P. N.« wegfielen. Schwitzend und unbehaglich dachte Redakteur Berger an die Wege, die er werde laufen müssen durch die heiße Stadt Paris, auf müden Füßen, um etwas wie Arbeit und ein paar Franken aufzustöbern, und selbst der hurtige, betriebsame H. B. Weißenbrunn hatte Bange vor den Folgen.
    Dieser Pitt hat es leicht, dachten sie, er hat seine Rente: aber was wird aus uns? Gleichzeitig aber waren sie überzeugt, ihm unrecht zu tun; sie wußten, er hätte auch vor dem nackten Nichts genauso gesprochen. »Streik, Pitt«, sagte endlich der dicke Pfeiffer und wiegte den mächtigen Kopf, »das ist ein großes Wort. Und wer sagt Ihnen, daß wir nicht gerade dadurch nur die Geschäfte des Herrn Gingold besorgen? Wenn er wirklich die politische Linie des Blattes ändern will, tun wir ihm doch nur einen Gefallen, wenn wir die Arbeit hinschmeißen. Dann wird er einfach die Gelegenheit beim Schopf packen, uns auf gute Art loszuwerden.«
    Er wußte, daß das stimmte und doch nicht stimmte. Aber ehe sie noch das Für und Wider erwägen konnten, betrat ein dicklicher, bläßlicher Herr in einem etwas abgetragenen, feierlich langen, schwarzen Rock den Redaktionsraum. »Tag, meine Herren«, sagte er, ein bißchen unsicher, doch mit liebenswürdigem Lächeln. »Da wäre ich also, und ich hoffe, wir arbeiten gut zusammen. Wo darf ich mich hinsetzen?« Und Herr Hermann Fisch, der Neue, der Mann, der bestimmt war, an Sepp Trautweins Stelle zu treten, schaute freundlich von einem zum andern.
    Ja, Herr Gingold war nicht faul gewesen, er hatte seinen Sonntag gut ausgenützt, er hatte alles mit Hermann Fisch abgesprochen, und da war er also, dieser Hermann Fisch.
    »Ich denke«, meinte er, da er bei den andern auf feindliche Zugesperrtheit stieß, »ich werde erst einmal dem alten Heilbrun guten Tag sagen.« – »Das tun Sie, das ist recht«, ermunterte man ihn, und, etwas betreten, verschwand er in Heilbruns Kabinett.
    Die andern mittlerweile schauten sich an. Das Erscheinen Hermann Fischs verschärfte die Lage. Wenn Gingold wirklich die Absicht hatte, sie, einen nach dem andern, durch Leute zu ersetzen, die ihm mehr genehm waren, dann vereitelte man das am besten, indem man ihm sogleich ultimativ den Streik ankündigte. Wenn alle die Arbeit niederlegten, dann blieb ihm nur die Wahl, ihre Forderungen anzunehmen oder das Erscheinender »P. N.« einzustellen; denn mindestens zwei oder drei Wochen brauchte er, ehe er eine halbwegs taugliche Redaktion neu zusammengestellt hatte, und eine so lange Unterbrechung erledigte das Blatt ein für allemal.
    Pitt und Weißenbrunn wären Gingold am liebsten noch heute mit dem Ultimatum gekommen. Doch Pfeiffer und Berger verlangten, daß man die Entscheidung bis morgen vertage.
    Von den Leuten der »P. N.« schlief keiner gut in dieser Nacht vom Montag zum Dienstag. Sie mußten solidarisch sein; es wäre eine Lumperei, Sepp im Stich zu lassen. Traten sie aber in Streik, so war damit zu rechnen, daß der eigensinnige, rachsüchtige Gingold das Blatt eingehen ließ, und dann sah es bös aus, zumindest um ihre nächsten Monate.
    Zwiespältigen Gefühls erschien man am Dienstag in der Redaktion; man wünschte den Streik und fürchtete ihn. Da traf die Nachricht ein von Annas Tod. Jedem einzelnen war, als trage er Mitschuld an diesem Tode, weil man gezögert hatte, zu handeln. Jetzt war es entschieden, darüber waren sich alle einig: jetzt wird man, und zwar sofort, Gingold das Ultimatum stellen.
    Der bedächtige Pfeiffer gab zu erwägen, ob man nicht Heilbrun vorher benachrichten solle. Man überlegte. Peter Dülken drängte, man habe keine Zeit zu langen Verhandlungen, man solle Heilbrun vor vollzogene Tatsachen stellen, genau wie er es ihnen gemacht habe. Schließlich gingen Pfeiffer, Berger und Weißenbrunn zu Gingold; Pitt nahmen sie mit.
    Herr Gingold hatte zwei Tage der Hoffnung hinter sich. Die Dinge schienen sich einzurenken. Heilbrun hatte sich in Sepps Entlassung geschickt, und Hermann Fisch hatte Gingolds leise Andeutungen sogleich begriffen, er war ein Mann, mit dem man arbeiten konnte. Auch der Kritiker Sahling hatte sich bereit erklärt, an Stelle Sepps die Berichterstattung übers Musikalische zu übernehmen. Sehr bald wird Herr Gingold seinen Auftraggebern berichten können, daß

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