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Exil - Wartesaal-Trilogie ; [3]

Exil - Wartesaal-Trilogie ; [3]

Titel: Exil - Wartesaal-Trilogie ; [3] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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»Sparen Sie nicht. Kaufen Sie sich jeden, der schreiben kann. Kein Geld ist mir zu teuer, diesen Dieben meine ›P. N.‹ wieder abzujagen.«
    Dann fuhr er zu seinem Anwalt. Viele Maßnahmen wurden getroffen, Zivilverfahren angestrengt gegen die »P. D. P.«, gegen einzelne Redakteure und Angestellte, Betrugs- und Diebstahlanzeigen wurden erstattet, die Druckerei wurde bedroht und beschmeichelt, Herr Gingold tat, was getan werden konnte.
    Dann, als er beim besten Willen keine Maßnahme mehr fand, die er hätte treffen können, fuhr er zurück in seine große Wohnung, die nun sehr still war; denn seine Kinder waren auf dem Land. Ein Augenblick vernünftiges Handeln ist besser als drei Tage Jammern, sagte er sich, aber das half ihm nichts. Allein, leer und erschöpft saß er, fühlte sich schwach, stöhnte vor sich hin. Die Nummern der »P. N.« und die »P. D. P.« hatte er mitgebracht, er verglich sie immer wieder, seine Blicke, hart, gierig, gehetzt, spähten durch dieBrille von dem einen Zeitungsblatt zum andern. Er konnte die redaktionelle Notiz auswendig, durch welche die »P. D. P.« ihre Leser über die Gründe der Titeländerung informierte, er hatte sie mit seinem Anwalt geprüft und wieder geprüft, die Notiz war verflucht geschickt, von dieser Seite konnte man an die Frechgesichter nicht heran. Vergebens hatte er vor dem Anwalt getobt und lamentiert. Es war doch nicht möglich, daß ein hochgeachteter Geschäftsmann mitten in der Stadt Paris so vor aller Augen bestohlen werden konnte, öffentlich beraubt; das war ja schlimmer als Bolschewismus und Drittes Reich. Aber der Anwalt fand die juristische Situation keineswegs eindeutig, die Burschen hatten es schlau angepackt, es blieb fraglich, ob man ihnen die Zeitung wieder wird entwinden können. Herr Gingold war ein doppelt und dreifach geschlagener Mann; selbst wenn er im Prozeß über die Frechgesichter obsiegt, wird es vermutlich zu spät sein, er wird Hindele, sein Kind, nicht wiedersehen.
    Solange er irgend etwas hatte unternehmen können, solang er vor dem Redakteur und dem Anwalt hatte Pläne aushecken, sich ereifern und sich ausschütten können, war es noch gut gewesen. Jetzt, allein, in der heißen Wohnung, matt, voll von Selbstvorwürfen, gequält von Gesichten, konnte er nichts tun als beten, warten, seine Wut in sich hineinfressen.
    Es hielt ihn nicht auf seinem Sitz. Durch die großen, häßlichen Räume ging er, erst langsam, beinahe schleppend, später schnell, zuletzt lief er, er lief auf und ab, ein Tier im Käfig.
    Nachum Feinberg kam. Seit Wochen beobachtete er die Selbstvernichtung seines Herrn, hin und her gerissen zwischen Grauen, Mitleid und einer immer stärker werdenden Kritik. War Louis Gingold wirklich der große Balzacsche Geschäftsmann, den er so lang in ihm gesehen hatte? Wenn Nachum Feinberg in diesen letzten Tagen etwas erfuhr, was seinen Chef von neuem treffen und verwunden mußte, dann schwankte er, ob er ihn schonen oder ob er’s ihm mitteilen sollte. Zuletzt entschloß er sich stets, Herrn Gingold zu informieren. Es war in dem belesenen und nach seelenkundlichen Erfahrungenjagenden Nachum Feinberg eine kleine, sträfliche Neugier, immer wieder mit anzuschauen, wie sein früher so gehaltener Herr verwildert war, wie hemmungslos er auf jede neue böse Nachricht reagierte. Nachum Feinberg ahnte natürlich die Zusammenhänge. Als er heute morgen die erste Nummer der »P. D. P.« zu Gesicht bekommen, hatte er sogleich herumgehorcht, wie sie aufgenommen wurde. Es hatte sich schon in diesen ersten Stunden erwiesen, daß der freche Streich der Redakteure geglückt und daß also Herrn Gingolds Geschäft mit den Nazi endgültig schiefgegangen war. Nachum Feinberg war voll ehrlicher Anteilnahme für seinen geschlagenen Herrn, aber der war ein Geschäftsmann und hatte somit Anspruch darauf, von seinem Sekretär über die Vorgänge auf dem laufenden gehalten zu werden. Er erstattet Herrn Gingold Bericht.
    Herr Gingold hörte den Bericht, Herr Gingold sah das Exemplar der »P. D. P.« in der Tasche seines Sekretärs. Er hielt sich nicht mehr, er konnte Schmerz und Verzweiflung nicht mehr allein tragen, er weihte den treuen Feinberg in das Unheil ein.
    Von dieser Stunde an entwand Nachum Feinberg auf eine stille, doch unwiderstehliche Art das Geschäft mit den Nazi den Händen Herrn Gingolds und nahm es in seine eigenen. So tief ihn das Unglück seines Herrn schmerzte, beinahe war es ihm eine Genugtuung, daß er sich jetzt bewähren

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