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Exil - Wartesaal-Trilogie ; [3]

Exil - Wartesaal-Trilogie ; [3]

Titel: Exil - Wartesaal-Trilogie ; [3] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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dringlich, aus der Anmaßung der Redakteure nicht etwa Folgerungen auf seine, Gingolds, Haltung zu ziehen. Er bitte dringlich, ihn, den völlig Unschuldigen, nicht entgelten zu lassen, was andere gesündigt hätten.
    Herr Leisegang freute sich, jemand zu haben, an dem er seinen Verdruß über Wieseners bedrohliche Schweigsamkeit auslassenkonnte. Seine Stimme war gar nicht mehr sanft, sondern recht scharf, als er erwiderte. Was bilde sich Herr Gingold eigentlich ein? Was für eine Insolenz, was für eine, er müsse schon sagen, jüdische Frechheit, ihm in seinen Ferien mit solchen Lappalien zu kommen. Wenn er aus purer Gefälligkeit Herrn Gingold Ratschläge gegeben habe, so berechtige das diesen Herrn noch lange nicht, ihm gewissermaßen Verantwortlichkeiten aufzuladen und ihn mit seinen Zudringlichkeiten bis hierher in sein Ferienhotel zu verfolgen. Wenn Herr Gingold die Geschichte falsch angepackt habe, so möge er sie gefälligst allein wieder ins Lot bringen und ihn ungeschoren lassen.
    Da Bitten nichts fruchteten, versuchte es Herr Gingold mit sanften Drohungen. Er sprach von dem Unwillen, den die Angelegenheit seiner Tochter bei den schwedischen Behörden erregt habe, und wie er bemüht gewesen sei, zu verhüten, daß davon etwas in die Öffentlichkeit dringe. Da aber kam er bei Herrn Leisegang schön an. Schweden, dachte der, erfüllt von beinah heiterer Verachtung über soviel Unvernunft, Schweden, ein Land von sechs Millionen und demokratisch, und wir haben siebzig Millionen und einen Führer. Da hatte ich mir immer eingebildet, dieser Gingold habe Grips, und jetzt sagt er: Schweden. »Sind Sie des Teufels, Mensch?« rief er laut und scharf in den Apparat. »Haben Sie sich einen Sonnenstich geholt? Ich bin Herr Leisegang, Vertreter von Gellhaus & Co., Geschäftsmann, kein Rechtsanwalt oder Polizeikommissar. Ich habe mich bei unsern Verhandlungen nicht darum gekümmert, ob Ihre werten Familienangehörigen Heilige sind oder Kinderschänder. Ich muß auch Sie dringlich ersuchen«, schloß er, nun ehrlich entrüstet, »mich mit Ihren Privatangelegenheiten nicht zu behelligen. Noch dazu in meinen Ferien. Schluß«, sagte er und hängte ein.
    Herr Gingold, am andern Ende der Leitung, wollte dieses »Schluß« mißverstehen, er wollte das Klicken des Abhängens nicht gehört haben, er sprach weiter, er bettelte, flehte, erniedrigte sich, war ganz demütig, so demütig, daß NachumFeinberg erschrak, er war nichts mehr als ein gehetzter Vater, der um das Leben seines Kindes flehte. Das Amt sagte ihm: »Man hat eingehängt«, er wollte es nicht verstehen, man mußte es ihm, ungeduldig, wiederholen. Auch dann noch hängte er nicht selber ein, Nachum Feinberg mußte es tun.
    Als Heydebregg, noch in Arcachon, die erste Nummer der »Pariser Deutschen Post« unter seinen Briefschaften fand, sagte er vor sich hin: »Na, da hätten wir Neues aus Afrika.«
    Er saß in dem hübschen, schlichten Zimmer im Gästepavillon der Besitzung Madame de Chassefierres. Späte, starke Nachmittagssonne kam herein, er wird sich bald zum Abendessen umziehen müssen. Vorläufig aber hatte er noch Zeit, ein wenig nachzudenken. Massig saß er in einem hellen Holzsessel, dessen Sitzfläche und Lehne mit einem lichten Stoff überzogen war. Zu seinen Häupten hing ein Gemälde in sehr zarten Farben, übermodern und etwas entartet, wie Heydebregg fand, aber heute kümmerte ihn das nicht.
    Das Unternehmen gegen die »P. N.« war also danebengegangen. Vor drei Monaten wäre das eine empfindliche Schlappe gewesen, heute wird man ihm in Berlin das Mißgeschick mit dem Emigrantenpack nicht mehr allzu hoch anrechnen, dieser eine Fehlschlag konnte nichts mehr daran ändern, daß im ganzen seine Pariser Mission ein Erfolg war.
    Ja, er hatte gute Arbeit getan, er durfte mit sich zufrieden sein. Da war die Sache mit dem Botschafter, diesem typischen »feinen Herrn«, der, wie so manche Mitglieder des Auswärtigen Amtes, der Partei viel zu subtil, viel zu »europäisch« war. Er, Heydebregg, hatte es übernommen, den unsympathischen Mann zu erledigen, ohne daß man durch förmliche Abberufung des beliebten Diplomaten Skandal heraufbeschworen hätte. Und er hatte, das mußten auch seine schärfsten Kritiker zugestehen, die Aufgabe elegant gelöst. Zunächst hatte er vorsichtig, durch vertrauliche Hinweise bei maßgebenden französischen Stellen, die Botschaft unterminiert; jetzt wußten die Pariser, daß das Reich nicht in dem Prunkgebäudean der Rue de Lille

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