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Exil - Wartesaal-Trilogie ; [3]

Exil - Wartesaal-Trilogie ; [3]

Titel: Exil - Wartesaal-Trilogie ; [3] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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hatte, fragte er weiter: »Was sagstdu dazu?« Es sollte leicht kommen, er verachtete den Leser, wie ihn Tschernigg gelehrt hatte, dennoch war er gespannt auf ihre Antwort. »Es ist mir leid, mein Junge«, konnte Lea sich nicht enthalten zu erwidern, »daß dir die Dinge und die Menschen so öd und leer vorkommen. Ist die Welt wirklich so scheußlich, in der du lebst?« – »Sie ist es, Darling«, antwortete freundlich Raoul, »aber so solltest du nicht fragen. Du solltest mir lieber sagen, ob ich diese meine Welt gut ausgedrückt habe.« – »Du hast es«, entgegnete Lea, überzeugt, und sie war traurig.
8
Kampf zwischen Raubtieren
    Als Wiesener die erste Nummer der »Pariser Deutschen Post« bekam, sah er sogleich, daß diese neue Zeitung nichts anderes war als die alten »P. N.«. Man wird dieses Papier wohl »P. D. P.« nennen, dachte er, das ist der ganze Unterschied. Pedepe: wie bezeichnet man solche Worte, die aus Initialen gebildet sind? Auch neulich bin ich nicht auf den technischen Ausdruck gekommen. Das Gedächtnis läßt nach. Man wird alt.
    »P. D. P.« oder »P. N.«, an sich ist das gehupft wie gesprungen. Aber für mich ist es leider gesprungen. Abgesprungen. Ein für allemal. Ich kann den Laden zumachen. Mein schönes Projekt ist davongeschwommen. Spitzi wird triumphieren. Das Nilpferd wäre wirklich ein Rhinozeros, wenn es mich jetzt noch hielte.
    Pedepe. Ein Akronymon ist das. Akronyma nennt man solche Initialwörter. Da ist es mir also doch eingefallen, das ist wenigsten etwas. Was der gewisse Trautwein da beigesteuert hat, diese fingierte Rede des Führers, ist an sich gar nicht übel. Wie das Schwein den Ton des Führers getroffen hat, allerhand.
    Er grinste schmerzhaft. Auf und ab geht das, über Langeweile beklagen kann man sich nicht. Das Schiedsgericht, ein Finnländer, ein Ungar: und schon ist man oben, und Heydebreggbehandelt einen, als ginge man auf dem Zauberberg ein und aus. Und jetzt »P. D. P.«: und schon ist man wieder unten durch. Die reinsten Aale, diese Schmöcke. So fest hatte ich sie in der Hand, und nun sind sie mir doch entwischt. Entwischt, entglitten, heidi, wuppdich, davon, evasit, erupit.
    Er grinste nicht mehr, sein Mund war spitz und schmal. Sonderbar durcheinander geht das alles. Wenn ihn Heydebregg die letzten Wochen hindurch besonders freundlich behandelt hat, dann wahrscheinlich deshalb, weil er ihn so lange mit Lea in Arcachon allein läßt. Demzufolge wäre man nicht nur ein gesinnungsloser Lump, der damit zu rechnen hat, daß ein Jacques Tüverlin einen Raum verläßt, den man betritt, sondern dazu noch ein Stück von einem Zuhälter, ein sogenannter Maquereau, würde der Parteigenosse sagen.
    Und wenn er jetzt nach Arcachon ginge? Wenn er, gerade jetzt, dort auftauchte? Was dann würde der Parteigenosse sagen? Vor Lea wird er ihm schwerlich die kalte Schulter zeigen. Und wie schön, Lea feierlich das abgeschlossene Manuskript des »Beaumarchais« zu überreichen. Es geht leider nicht. Es wäre zu riskant. Zu leicht könnte man sich durch eine solche Reise beides verderben, die Beziehungen zu Lea und die zu dem Parteigenossen. Er muß seine niederträchtig schlaue Taktik schon durchhalten, sich weiter totstellen und Lea weiter aushungern.
    Wäre wenigstens Maria da. Sie würde begreifen, was das Erscheinen der »Pariser Deutschen Post«, was das Auftauchen dieses neuen Akronymons für ihn bedeutet. Es wäre eine Erleichterung, vor ihr seine Niederlage verzweifelt und ingrimmig zu kommentieren, sie zu bagatellisieren, zu ironisieren. Aber die Neue, die versteht ja nichts.
    Da er aber in seiner Not jemand brauchte, sich vor ihm auszusprechen, sprach er mit der Neuen nun doch persönlicher als bisher, ja er nannte sie Lotte, und Lotte war beglückt.
    Übrigens wirkte sich das Erscheinen der »P. D. P.« nicht ganz so schlimm aus, wie er befürchtet hatte. Man schnitt ihn nicht wie damals, nachdem der zweite Hetzartikel der »P. N.«erschienen war. Aus Arcachon freilich kam jetzt kein Anruf mehr, der Parteigenosse war verstummt. Aber Wiesener schloß aus der Haltung der andern, daß Heydebregg eine letzte Entscheidung noch nicht getroffen hatte.
    Dann erfuhr er, Heydebregg habe Arcachon verlassen und sei, ohne Aufenthalt in Paris, nach Deutschland weitergereist, für unbestimmte Zeit. Warten müssen, immer warten. Es machte ihn kribbelig, ein schmerzhaftes Kitzeln füllte ihn an. Ob Heydebregg bei der Durchfahrt durch Paris Spitzi gesehen hat? Der Gedanke an des

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