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Exil - Wartesaal-Trilogie ; [3]

Exil - Wartesaal-Trilogie ; [3]

Titel: Exil - Wartesaal-Trilogie ; [3] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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raschem Entschluß in der Rue de la Ferme an. Keinen Augenblick fürchtete er, Madame werde für ihn nicht zu Hause sein.
    Lea hatte seinen Anruf erwartet und sich vorgenommen, nicht ans Telefon zu kommen. Sie wollte nicht erregt mit ihm sprechen, sie wollte Zeit haben, sich sammeln. Aber als man ihr jetzt meldete, Monsieur Wiesener sei am Apparat, war es aus mit allen Überlegungen, sie flog ans Telefon, ihr Herz flatterte, mühsam brachte sie ihr Hallo heraus. Wiesener hatte zwar nicht gezweifelt, daß sie gleich ans Telefon kommen werde, aber nun war er doch erregt, auch er. Doch er ließ sich nichts anmerken, er sprach wie immer, seine ruhigen, liebenswürdigen Worte wischten die lange, böse Trennung, ihre längste, böseste, einfach fort.
    Dann, endlich, stand er ihr gegenüber. Ja, das war sein starkes, männliches Gesicht, das war die grundgescheite Stirn, wenig gefältelt, das waren seine lieben, grauen Augen, sein langer, geliebter, gutgeschnittener Mund, seine breiten Schultern, das waren seine dichten, blonden Haare, und sie mußtesich Gewalt antun, nicht sogleich darüberzufahren und hineinzugreifen, und waren wenigstens ein paar weiße darunter? Es wäre eine Schande gewesen, wenn er nach der langen Trennung nicht wenigstens ein paar weiße Haare mehr gehabt hätte. Oh, wie liebte sie ihn, alles an ihm, selbst die kleinen Säcke unter seinen Augen, selbst das nicht sehr starke Kinn, und wie hat sie es so lange aushalten können ohne ihn? Warum hat sie nicht depeschiert, telefoniert: Komm, komm, alles in mir schreit nach dir? Das Meer war nicht schön gewesen, da er nicht da war, der Strand war keine Ruhe gewesen und der helle Himmel keine Freude. Aber nun war er ja da, und alles war gut, sie hatten, zwei dumme, eigensinnige Kinder, sich gegenseitig unnötige Schmerzen gemacht, aber wahrscheinlich nur aus dem unklaren Verlangen, die Wiedervereinigung zu versüßen. Jetzt jedenfalls waren die tausend trüben Zweifel, mit denen sie sich in Arcachon hatte abplagen müssen, verraucht und vorbei.
    Und nun sprach er zu ihr. Allein es war schwer, auf das zu achten, was er sprach, mit einer so unbändigen Freude erfüllte sie schon der Klang seiner Stimme.
    Und hat er ihr da nicht auch etwas gegeben? Ein Manuskript, ein Geschenk, wie es scheint. Was hat er dazu gesagt? Sie muß besser aufpassen, sie muß seine Worte zu begreifen suchen. Der »Beaumarchais« ist fertig, hat er gesagt, er hat den Sommer darauf verwandt, das Werk zu vollenden. Ja, ja, ja, das erklärt seine Abwesenheit, das ist ein Grund, mehr als zureichend, das ist eine gültige Entschuldigung. Natürlich hat er ihr nicht vor Augen treten wollen, ehe er, endlich, dieses Werk vollendet hat. Er hat sich also nur vor ihr geschämt. Das ist ein großartiger Grund, ein Grund, der sie ehrt. Ach, lieber wäre ihr gewesen, er hätte sie nicht so lange geehrt. Aber jetzt ist er ja da, jetzt ist alles gut, ausgezeichnet ist alles, es ist eine herrliche Welt.
    Wiesener erkannte Leas Bewegung. Wie klug und richtig war seine Taktik gewesen. Man muß die Frauen nur aushungern, dann, auch nach dem schlimmsten Zerwürfnis, fallen sieeinem von selber wieder zu. Es war überflüssig, daß er ihr den »Beaumarchais« gewidmet hatte. Aber jetzt kann er es nicht mehr rückgängig machen. So gab er sich auch weiterhin als der bescheiden und demütig Liebende. Sie habe ein Gutteil dazu beigetragen, erklärte er, wenn das Buch endlich fertig und geglückt sei; ohne ihre beständige Warnung wäre er in seinem Journalismus steckengeblieben, in seiner Politik verkommen.
    Das heiße Gefühl der Liebe und Dankbarkeit in Lea. Alles war weggeschmolzen, was jemals in ihr gegen ihn gesprochen hatte. Die dumme Welt, die zwei Menschen trennten wollte, so eins wie sie und Erich.
    Sie las den »Beaumarchais«. Wie hat sie je glauben können, in Erich stecke etwas Barbarisches, ein Rest Tier oder Urwald? Der Mann, der dieses Buch geschrieben hat, ist kultiviert von innen her und hat den Anspruch, daß man ihm eine Laune, daß man ihm hundert Launen verzeiht.
    In diesen nächsten Tagen wurde die Freundschaft zwischen Wiesener und Lea tiefer und inniger als je zuvor.
    Wenn etwas ihr Glück störte, dann war es der Gedanke, wie Raoul die Erneuerung ihrer Freundschaft mit Erich hinnehmen werde. Es war ihr nicht entgangen, wie schnell Raoul sich von ihr fortentwickelte. Seitdem sie seine seltsame Erzählung gelesen hatte von dem Mann-Wolf, der sie so unheimlich an Erich gemahnte, hatte

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