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Exil - Wartesaal-Trilogie ; [3]

Exil - Wartesaal-Trilogie ; [3]

Titel: Exil - Wartesaal-Trilogie ; [3] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Rockknopf. Auch sprach er einen merkwürdigen Akzent, zum Beispiel sprach er das Hitler mit langem i, wodurch das Jüdische dieses Namens stark und seltsam unterstrichen wurde. Sepp achtete nicht auf solche Einzelheiten, ihn rührte Donald Percys Selbstenthüllung an. Es bewegte ihn, daß ihm der Sänger nur mit Widerstreben die Hand geben konnte, genau wie er selber während seines Konflikts mit Gingold immer wieder gedacht hatte: Der Saujud. Kann sich auch der zivilisierte Mensch, der Humanist, nicht dagegen wehren, daß in ihm, sowie er gegen einen einzelnen gereizt ist, der Gruppenaffekt wach wird?
    Donald Percy war mittlerweile schon längst woanders. Sie sollen sich verrechnet haben, die Herren Nazi, die Herren Deutschen, ihn kriegen sie nicht unter. Es ist natürlich einSchlag, daß er, kaum zu Ruhm gelangt, dieses Ruhmes schon wieder, und auf so schnöde Art, verlustig gegangen ist. Aber er hat keine Angst, er setzt sich durch. Er lernt jetzt Englisch und Französisch, er wird es so lernen, daß er auf der französischen und der englischen Bühne bestehen kann. Die Hauptsache ist die Stimme, und die hat er.
    »Na, also, da wollen wir halt einmal sehen«, unterbrach ihn Sepp, und man ging, endlich, an die Arbeit.
    Der impulsive, sanguinische Donald Percy war hingerissen von den Horaz-Oden. »Und davon hab ich in Deutschland nichts gewußt«, bekannte er naiv. Es ließ sich angenehm mit ihm arbeiten, und es war Sepp ein Erlebnis, die Oden einmal wieder aus dem Mund eines richtigen Sängers zu hören.
    Verführt durch Donald Percys Begeisterung, spielte ihm Sepp auch aus den Walther-Liedern vor. Ein Lied nach dem andern ließ er sich entreißen. Die Lieder waren unfertig, doch der Sänger bat und drängte, er wollte sie versuchen. »Ja, wenn Herr Walther kröche«, sang er, die Melodie ging ihm sogleich ein, auch der Text riß ihn hin. Er umarmte Sepp, er haute ihm auf die Schulter. »Großartig, herrlich«, schrie er. »Wie Sie es den Schweinen geben, wie das uns allen aus der Seele gesungen ist. Nochmals«, bat er, »gleich nochmals«, und er war furchtbar enttäuscht, als Sepp erklärte, das Lied sei noch keineswegs fertig, und er wisse nicht, ob er es singen lassen könne.
    Für den Konzertabend zog sich Sepp sorgfältig an. Er schüttelte den Kopf über sich selber; was er da machte, war komisch und sentimental, eine lächerliche, verspätete Ehrung für Anna. Überhaupt benahm er sich kindisch in allem, was diesen Abend anging. Vor Hanns zwar und seinen Vertrauten machte er sich lustig über das »gesellschaftliche Ereignis«; aber in seinem Innern gestand er sich, daß ihm dieses alberne Konzert vor ein paar versnobten Parisern mehr Lampenfieber machte als jemals eine deutsche Premiere.
    Das erste Stück, die Traumerzählung aus den »Persern«,von einer Französin gesungen, fand mehr höflichen als warmen Beifall; das Publikum hatte freundlich, doch sichtlich unbeeindruckt zugehört. Sepp sagte sich, sein erstes Gefühl sei schon richtig gewesen; es war Unsinn, vor einem solchen Auditorium zu spielen.
    Es folgten die Horaz-Oden. Der aufgeregte Donald Percy verpatzte gleich den ersten Einsatz. Dann aber riß er sich zusammen, und alles Spätere »kam«. Das Auditorium hielt sich weiter still und aufmerksam, es wartete ab. »Das sind schwierige Leute«, meinte schwitzend Donald Percy.
    Auch Lea merkte, daß ihr Publikum schwierig war. Sie betrachtete den Abend als ihre eigene Sache, er mußte aus vielen Gründen für diesen Monsieur Trautwein zu einem Erfolg werden. Leicht zu lancieren war er nicht, dieser deutsche Musiker. Auch machten es ihm ihre Gäste nicht leicht. Lea überraschte das nicht. Erst hatte sie sich als Notre-Dame-des-Nazis aufgespielt, jetzt setzte sie den Leuten einen emigrierten deutschen Musiker vor; da kam man zwar, um zu schauen und zu hören, war aber keineswegs gewillt, ihren Schützling von vornherein ihrer Laune zulieb für ein Genie zu nehmen. Es kam alles darauf an, was Monsieur Trautwein weiter brachte.
    Was er weiter brachte, waren die Walther-Lieder. Bis zuletzt hatte er sich dagegen gesträubt, sie singen zu lassen, Donald Percy hatte sie ihm geradezu abpressen müssen. Jetzt zeigte sich, daß der Sänger guten Instinkt gehabt hatte. Sogleich, schon nach den ersten Takten, hatten die Lieder gesiegt. Da war nichts mehr von dem Ästhetizismus der »Perser« und der Horaz-Oden. Die Frische der Lieder, ihr bei aller Ziseliertheit derber Humor, ihre Volkstümlichkeit ging den

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