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Exil - Wartesaal-Trilogie ; [3]

Exil - Wartesaal-Trilogie ; [3]

Titel: Exil - Wartesaal-Trilogie ; [3] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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beugteRumpf und Knie, ließ den Bauch kreisen. Dann stieg er in sein Bad, verabfolgte sich die gewohnten kleinen Güsse, blieb ziemlich lange heldisch unter der kalten Dusche. Rieb sich ab, trocknete sich. Dann dunstete er wohlig in seinem Bademantel, durchrieselt von angenehmer Wärme, und fühlte sich jung, beinahe zu jung.
    Im Bademantel ging er durch seine kleine Wohnung, vom Schlafzimmer ins Wohn- und Arbeitszimmer. Dieses Hotel Watteau war keine schlechte Sache. Der ganze Aufenthalt in Paris ist eine erfreuliche Episode gewesen und sehr bekömmlich. Es war eine Dienst- und gleichzeitig eine Erholungsreise; denn, gemessen etwa an Berlin oder Berchtesgaden, bleibt dieses Paris immer eine Art Kurort, und Heydebregg hat das Nützliche mit dem Angenehmen verbinden können. Er hat die Aufgabe, welche ihm die allerhöchste Stelle anvertraut hat, zu deren Zufriedenheit gelöst, und Frankreich, insbesondere Arcachon, wird ihm immer eine freundliche Erinnerung bleiben.
    Soll er also zum Lunch des holländischen Gesandten gehen? Er verhehlt sich nicht, daß er, wenn er an die Dame denkt, Anwandlungen spürt, die vom Parteistandpunkt aus verwerflich sind. Aber bisher ist er, als rechter Nationalsozialist, solchen Anwandlungen nicht ausgewichen, sondern hat sich ihnen gestellt und ist mit ihnen fertig geworden. Soll er gerade noch vor seiner endgültigen Abreise feig werden und der Dame und den Anwandlungen aus dem Wege gehn?
    Von da, wo früher die holde Miß O’Murphy gehangen, schaute jetzt der Führer auf den im Bademantel auf und ab schreitenden Mann; streng, gewaltsam gesammelt, blickten die Augen über dem symbolisch in Zucht gehaltenen, beschnittenen, winzigen Schnurrbart. Konrad Heydebregg dachte an den warmen Händedruck, mit dem ihn der Führer in Nürnberg entlassen. Er dachte an die Art, wie Madame de Chassefierre einem zum Abschied die Hand zu geben pflegte. Er dachte an die hohe Telefonrechnung, die er, infolge seiner Gespräche für die Partei, in Arcachon hinterlassen hatte. Esgab noch Rechnungen auszugleichen zwischen ihm und Madame de Chassefierre. Soll er ihr den Betrag übersenden? Es ist seiner nicht würdig, ihren Streich durch eine solche Kränkung zu erwidern. Andernteils drückt sich ein richtiger Nationalsozialist nicht. Wenn es ihm die Umstände unmöglich machen, seine Rechnung zu zahlen, daran zerreißt er sie vor den Augen des Gläubigers, wie wir es mit den sogenannten Tributschulden gemacht haben.
    Er wird zum holländischen Gesandten gehen.
    Angenehm wäre es übrigens, wenn sich Madame de Chassefierre entschlösse, auf ein paar Monate nach Berlin zu kommen, um sich durch den Augenschein von der Kraft und Tugend des Nationalsozialismus zu überzeugen. Dann, das traut er sich zu, brächte er sie zur rechten Lehre zurück.
    Müßige Spintisiererei. Cäsar hat es sich erlauben dürfen, Kleopatra nach Rom kommen zu lassen; aber er, Heydebregg, ist nicht größenwahnsinnig, er hat nicht das Format des Diktators Cäsar. Er darf sich nicht vermessen, freundschaftliche Beziehungen aufrechtzuerhalten zu einer Frau, die sich so demonstrativ zu den Gegnern bekannt hat.
    Die Gesellschaft beim holländischen Gesandten war ziemlich zahlreich. Lea begrüßte Heydebregg auf ihre gewohnte, gelassen heitere Art, doch bei Tisch waren sie weit voneinander entfernt, und zu einem Gespräch ergab sich keine Gelegenheit. Als dann später, nach der üblichen kurzen Trennung, die Damen wieder erschienen, saß Heydebregg, er wußte selbst nicht, ob mit oder ohne Absicht, massig und allein. Fürchtend, hoffend, wartete er darauf, ob sich Madame de Chassefierre zu ihm setzen werde, wie sie es früher manches Mal getan hatte.
    Sie sprach ein paar Worte mit dem, mit jenem. Dann, mit ihrem schönen, ruhigen Schritt, kam sie. »Lange hat man sich nicht gesehen, Monsieur«, sagte sie und setzte sich neben ihn, als wäre in der Zwischenzeit nichts geschehen. Und da saß man also doch wieder zusammen, nur spärliche Worte wechselnd, lang und gefährlich schweigend und erfüllt von einergeheimen, anrüchigen Vertrautheit, die gerade ihm wahrhaftig nicht anstand.
    »Warum haben Sie das getan, Madame?« fragte schließlich Heydebregg, es sollte streng kommen, verweisend, anklägerisch, doch war es mehr Klage als Anklage. »Es war wirklich nicht als Angriff gegen Sie gedacht«, antwortete sie freundlich, doch keineswegs im Ton einer Entschuldigung. »Es war eine Demonstration«, erklärte gravitätisch das Nilpferd.

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