Exil
bisschen ist gestern noch übriggeblieben. Ich klappe den Toilettendeckel herunter, streue rasch das Pulver aus, zerhacke es mit einer Nagelfeile, rolle einen Geldschein zusammen und ziehe es in die Nase. Schaue in den Spiegel, putze mir die Nase, schüttele den Kopf. Ab ins Auto.
»Geht’s dir gut?«, erkundigt sich Alison.
»Ja.«
»Du wirkst so unruhig.«
»Ich bin nur total müde, aber es geht schon.«
»Okay«, sagt sie und fragt nach gestern.
»Halb fünf war ich zu Hause.«
»Ja, dann hast du ja wirklich kaum geschlafen.«
»Schlafen kann ich, wenn ich tot bin.«
Jarno
Eines Tages hat der Koch mir einen Zettel hingehängt, als ich nach Hause komme: »Bin im Norad-Haus, schau vorbei. Jarno«
Okay. Er ging in die zwölfte Klasse. Dann muss das Examen bereits überstanden sein. Wenn ich auf der Schule geblieben wäre, hätte ich jetzt das Examen nach der zehnten. Und, gibt es einen Unterschied? Ich gehe aus dem Haus und suche nach einem Taxi. Fahre dorthin. Eine alte Yamaha 125 hält vor dem Haus, und der Koch sitzt am Eingang der Dienstbotenwohnung und plaudert mit dem Gärtner. Ich grüße und frage.
»Er ist im Haus«, antwortet der Koch. Ich gehe hinein. Irgendein hirntoter Rock läuft, außerdem höre ich die Dusche. Ich öffne die Tür zum Badezimmer.
»Jarno?«, sage ich. Er steht splitternackt in der Badewanne.
»Was ist?« Verblüfft schaut er sich um.
»Soll ich dir den Rücken waschen?«, frage ich ihn, ich habe Lust auf Sex.
»Ja, du bist herzlich willkommen.« Hinterher gehen wir ins Bett. Er hat Kondome. Meine Brüste werden wie ein Teig geknetet. Wir machen’s, und nach exakt siebenundzwanzig Sekunden kommt er; ich zähle mit, so langweilig ist es.
Er entschuldigt sich.
»Ist schon okay.«
»Überdruck«, meint er. »Beim nächsten Mal wird’s besser.« Sein Schwanz wird bereits wieder steif. Er interessiert mich nicht.
»Ich muss gehen«, sage ich.
»Bleib doch noch ein bisschen.«
»Nein, ich habe eine Verabredung.«
»Ich kann dich fahren«, schlägt er vor. Wir ziehen uns an und gehen in die Küche, nehmen uns eine Cola aus dem Kühlschrank. Der Koch wendet uns den Rücken zu, schneidet Gemüse und zischt ein beinahe unhörbares tsk . Schüttelt ganz leicht den Kopf. Wir benehmen uns skandalös. Was geht ihn das an?
Draußen ist es zu heiß, deshalb setzen wir uns zum Rauchen ins Wohnzimmer.
»Ich glaube, Christian kommt bald«, erzählt Jarno.
»Hierher? Nach Dar?«
»Er hat mir in Morogoro geschrieben. Er hat mich gefragt, ob du tot seist …?«
Ach, Scheiße. Selbstmörderisch, ich hab ihm das geschrieben. Und ich weiß doch, dass er in mich verliebt ist, und jetzt kommt er, und dann werde ich … ich will damit nichts zu tun haben.
»Was glaubst du? Bin ich tot?«
»Auf mich wirkst du nicht sonderlich tot.«
»Das kannst du ihm dann ja erzählen.«
»Das habe ich bereits. Er freut sich, dich zu sehen.«
»Ich bin nicht sicher, ob ich da bin. Ich muss bald weg.«
»Ja, ich weiß, was du meinst«, antwortet Jarno.
»Wirklich?«
»Ja. Afrika ist nicht unsere Welt.«
»Das meine ich nicht.«
»Was dann?«
»Europa, ist das unsere Welt?«, frage ich zurück. Jarno zuckt resignierend die Achseln.
»Finnland? Willst du dort hin?«
»Militärdienst«, antwortet er. »Obligatorisch.«
»Pfui, zum Teufel.«
»Tja.« Er lacht. »Ich fange im Gefängnis an.«
»Wieso?«
»Ich hätte schon vor einer Woche da sein sollen. Die Leute von der Botschaft suchen nach mir.«
»Wissen die nicht, dass du hier bist?«
»Das werden sie sicher bald herausfinden, aber was wollen sie machen? Sie können mich nicht festnehmen. Sie müssten Tansania offiziell um Hilfe bitten, und dazu haben sie keine Lust.«
Ich stehe auf. »Ich muss los.«
Auch Jarno steht auf, kommt auf mich zu, legt eine Hand auf meine Hüfte.
»Kannst du nicht noch etwas bleiben«, bittet er leise – total klebrig.
»Wird Christian hier wohnen, wenn er kommt?«, frage ich. Jarno entfernt seine Hand.
»Ja.«
Ich überlege mir, ihn zu fragen, ob ich auch eine Weile hier wohnen könnte, aber dann würde Jarno ständig … und wenn Christian kommt, würde er … nein, das kann nicht klappen.
»Du erzählst Christian doch nichts davon, oder?«
»Natürlich nicht«, behauptet Jarno. Natürlich wird er es ihm erzählen. Ein Geheimnis ist etwas, das man einem anderen Menschen erzählt, sonst wäre es ja kein Geheimnis. Jarno kann nichts für mich tun, nur ein weiterer
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