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Exil

Exil

Titel: Exil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Ejersbo
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mich.
    »Nach Himo.«
    »Könnte ich mitfahren?«
    »Ja«, sagt der Mann.
    »Nein«, sagt Mick.
    »Warum nicht?«
    »So ist das einfach.«
    »Wieso?«, frage ich ihn noch einmal. Mick wendet sich an den Mann im Pick-up. »Danke, dass Sie gehalten haben. Gute Fahrt.« Der Mann fährt weiter.
    »Wieso konnte ich nicht mit ihm fahren?«
    »Weil ich gesagt habe, ich liefere dich in der Schule ab.«
    »Aber ich hätte von Himo ein matatu nehmen können.«
    »In einer Stunde wird es dunkel, und du bist das einzige weiße Mädchen in der Umgebung, nein.«
    »Ich komm schon zurecht.«
    »Und wenn nicht, dann trage ich die Verantwortung.«
    »Du bist nicht für mich verantwortlich.«
    »Im Augenblick schon«, erwidert er. Ich setze mich auf den Beifahrersitz des Buggys. Die Dämmerung zieht auf. Mick beobachtet die Straße. »Wo sind die Zigaretten?«, fragt er.
    »Ich rede nicht mit dir.«
    »Hör auf, dich wie eine Rotzgöre zu benehmen.« Ein Zug nähert sich langsam auf den Schienen, die parallel zur Straße verlaufen, der Schornstein der Lokomotive stößt Dampfwolken aus. Hirten treiben ihre Herden durch die Buschlandschaft, sie wollen vor Einbruch der Nacht in ihren Dörfern sein. Allmählich wird es dunkler.
    »Ich habe Durst«, sage ich. Die Wasserflaschen sind leer, wir haben nichts mehr zu essen, und bald ist es dunkel und kalt. Mick lacht.
    »Was ist?«, frage ich.
    »Du lässt dich vom Kopf bis zum Arsch bedienen, aber sobald dir auch nur ein kleiner Stein im Weg liegt, fängst du an, dich zu beschweren – das ist schon fantastisch, Samantha.«
    »Tsk.« Eine halbe Stunde vergeht, es ist beinahe dunkel.
    »Ein Lastwagen«, sagt Mick. Ich blicke auf. Er nähert sich. »Der ist leer«, sagt Mick.
    »Woher weißt du das?«
    »Das Motorengeräusch.« Er wedelt mit den Armen. Der Lastwagen hält. Mick stellt sich vor. Der Fahrer heißt Yasir. Er fährt nach Moshi. Sein junger Helfer Quasim springt heraus und legt ein paar lange Planken von der Ladefläche auf die Erde. Gemeinsam schieben wir den Buggy hinauf. Wir sitzen mit ihnen im Fahrerhäuschen und fahren durch die Dunkelheit.
    »Was ein Glück, dass ihr gekommen seid«, sagt Mick.
    »Ja«, antwortet Yasir. »Morgen wärt ihr nur noch Knochen.«
    Alle drei lachen. Ich zünde mir eine Zigarette an. Was gibt’s da zu lachen?
    Der Buggy wird im Zentrum bei Chuni Motors abgeladen. Ich greife nach meiner Tasche.
    »Mick. Danke für die Fahrt.«
    »Schon gut.«
    Ich nehme ein Taxi zur Schule.
    Halima
    Zurück in der Hölle. Zehnte Klasse. Die Tage schleppen sich dahin, die Wochen kriechen auf dem Boden. Die Monate sind unendlich.
    Alison ruft an.
    »Mutter ist fort.«
    »Wohin?«
    »Nach Hause«, sagt Alison.
    »Was heißt nach Hause? Ins Haus nach Dar?«
    »Nein, nach England. Sie ist nach England geflogen.«
    »Und warum?«
    »Tja, Vater hat …«, fängt Alison an. Ich unterbreche sie: »Sie hat nicht mal angerufen.«
    »Die Telefone haben nicht funktioniert.«
    »Hätte doch sein können, dass ich mit wollte«, sage ich.
    »Du hast doch gesagt, du willst nicht nach England.«
    »Könnte ja sein, dass ich meine Meinung geändert habe.«
    »Samantha.«
    »Ja.«
    »Sie hat mitgekriegt, dass Vater mit Halima zusammen war, die neue …«
    »Ich weiß, wer sie ist.«
    »Sie … haben’s in einem der Bungalows getrieben. Mutter hat sofort gepackt und ist aufgebrochen.«
    »Und wie hat der Alte reagiert?«
    »Er hat gesagt, Reisende soll man nicht aufhalten.«
    »Und du?«
    »Ich habe Halima gefeuert.«
    »Und was willst du jetzt machen?
    »Ich bleibe in jedem Fall hier, bis du in den Weihnachtsferien kommst.«
    »Aber es sind noch drei Monate bis Weihnachten. Wo ist der Alte jetzt?«
    »Keine Ahnung. In Dar vielleicht.«
    »Was ist mit der Semesterhälfte? Wie haben eine Woche frei. Du könntest in die Mountain Lodge kommen. Hast du nicht Lust?«
    »Ich habe nichts zum Fahren«, erwidert Alison.
    »Du kannst den Bus nehmen.«
    »Ich muss mich ums Hotel kümmern.«
    Wellen
    Ich will weder Tazim fragen noch in der Lodge anrufen und Sofie bitten. Es wirkt so erbärmlich, aber ich habe einfach keine Lust, bei irgendjemandem zu wohnen, ich will Alison sehen. Nur dauert es noch ein paar Wochen bis zur Semesterhälfte, und ich halte diese Schule einfach nicht mehr aus. Ich klaue eine von Truddis Levis-Jeans, verkaufe sie einem Taxifahrer in der Stadt und fahre das Wochenende allein ins Hotel Tanzanite. Mutter hat mir glücklicherweise eine schriftliche Genehmigung gegeben,

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