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Exil

Exil

Titel: Exil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Ejersbo
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daran denkt, seine Tochter zu besuchen.« Ich muss lachen.
    »Ja, ja«, seufzt Vater. »Nicht leicht, für alles Zeit zu finden.«
    Victor verabschiedet sich, und Vater geht an die Bar, bis ich fertig gepackt habe. Wir fahren im Land Rover. Glücklicherweise macht der Wagen einen derartigen Lärm, dass es unmöglich ist, sich auf der einstündigen Fahrt nach Moshi zu unterhalten.
    »Wo wollen wir essen?«, schreit Vater, als wir den Arusha-Kreisel am Rand von Moshi erreichen.
    »New Castle Hotel, die haben eine Dachterrasse!«, schreie ich zurück und zeige ihm den Weg. Wir gehen hinauf und bestellen etwas zu essen und Bier.
    »Du musst erst noch lernen, wie man es trinkt«, zieht Vater mich mit einem Lächeln auf.
    »Ich weiß schon, wie man trinkt«, erwidere ich. Es fällt kein weiteres Wort. Worüber sollen wir reden, bis das Essen kommt? Über Halima? Oder Mutter?
    »Alison schmeißt das Hotel ziemlich gut«, beginnt Vater und erzählt mir von diversen Änderungen und Verbesserungen. Ganz offensichtlich vermeidet er jede Andeutung, dass Mutter diese Dinge längst hätte in Angriff nehmen sollen. Glücklicherweise werden endlich die Hähnchen und die Fritten mit Vinegar serviert. Wir essen und trinken hastig. Vater bietet mir eine Zigarette an, gibt mir Feuer. Wir rauchen.
    »Ich muss sehen, dass ich zur Schule komme, bevor es zu spät wird«, sage ich. Vater nickt und zahlt. Abgang. Wir fahren die Lema Road hinunter. Wildes Hundegebell schallt durch die Nacht, es kommt näher. Vater sieht sich um. Ich beuge mich hinüber und schaue an seiner Seite hinaus: Vier Hunde kommen bellend den Wagen entlanggelaufen.
    »Hunde!«, rufe ich. »Das Fenster!« Vaters rechter Ellenbogen ruht auf dem Türrahmen, das Seitenfenster ist ganz heruntergedreht. Ich schreie, als Vater den Ellenbogen zurückzieht, gleichzeitig ertönt ein dumpfer Schlag – der erste Hund springt hoch und prallt gegen die Tür, die Kiefer schnappen durch das offene Autofenster. Gebleckte Zähne, Schaum an den Lefzen. Vater greift in seine Kaki-Jacke, zieht die Pistole aus dem Schulterhalfter und bremst. Als der Hund wieder hochspringt, schießt er ihm ins Maul. Der Hinterkopf explodiert, Blut, Knochen, Hirnmasse. Hastig drehe ich mein Fenster hoch, während er noch zwei weitere Schüsse abfeuert, flucht, einen Gang einlegt und sein Fenster hochkurbelt. Eine Hundeschnauze knallt an das Seitenfenster neben mir, hinterlässt eine Spur von Geifer und Schaum.
    »Tollwut«, sagt Vater, tritt aufs Gaspedal und versucht, einen vor dem Auto stehenden Hund zu überfahren. Der springt auf die Kühlerhaube. Ein räudiger Köter mit wahnsinnigen Augen. Wieder bremst Vater, sieht in die Seitenspiegel.
    »Nein!«, schreie ich, aber er ist bereits halb aus dem Auto. Pumpt den Hund voll Blei. Steigt wieder ein, tritt aufs Gas. Er hupt, bevor wir das Schultor erreichen. Der Wachmann öffnet uns, wir halten auf dem Parkplatz, auf dem Owen steht und sich unruhig mit Ebenezer und einer anderen Nachtwache umsieht. Sie haben die Schüsse gehört.
    »Was ist passiert?«, erkundigt sich Owen. Ich berichte, während Vater sich eine Zigarette anzündet und flucht.
    »Und wer hat geschossen?«
    »Ich«, erklärt Vater. »Drei von ihnen hat’s erwischt.«
    »Nun ja, gut, dass wir uns sehen; ich würde mich gern mal mit Ihnen unterhalten«, sagt Owen zu Vater. Er schaut Owen an, dann mich und schließlich wieder Owen.
    »Geht es um sie?«
    »Ja, also Samantha ist … es geht, aber sie schwänzt häufig und ist recht unruhig.«
    »Das sollte nicht sein«, erwidert Vater.
    »Nein, und wir sehen uns letzten Endes gezwungen, die disziplinarischen Möglichkeiten anzuwenden, die wir …«
    Vater unterbricht ihn.
    »Aber Sie sollten verdammt noch mal auch dafür sorgen, dass in einem Gebiet, in dem die Tollwut ausgebrochen ist, keine Schüler herumlaufen. Es mag ja sein, dass Samantha sich zusammenreißen muss, das muss sie sogar ganz bestimmt. Aber Sie ebenfalls!«
    Vater starrt Owen an; es ist gleichzeitig peinlich und herrlich.
    »Die Behörden haben bereits …«, beginnt Owen und wird wieder unterbrochen.
    »Die Behörden? Die tansanischen Behörden? Sind Sie verrückt geworden?« Vater wendet sich von Owen ab, kommt zu mir, umarmt mich und sagt: »Benimm dich, Samantha.« Dann sucht er in seinen Taschen und reicht mir ein Päckchen Zigaretten. »Rauch lieber die.« Springt in den Wagen, hupt, fährt ab. Ich bin schon auf dem Weg zum Kiongozi; ich kann geradezu spüren, wie Owen in

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