Exil
kleine Tüte mit weißem Pulver heraus. »Kokain. Total sauber. Das bringt dich in Schwung.«
Ich würde es gern ausprobieren.
»Was soll es kosten?«
»Hey, das ist nur … wenn du probieren willst, unter Freunden. Es kostet nichts.«
»Okay.« Ich schnupfe die Bahn, die er für mich auf dem Tisch auslegt. Guter Stoff. Ich tanze. Aziz tanzt mit mir, bewegt seinen Schritt in Kreisen auf meine Hüfte zu, glaubt, er sei gut. Versucht, mich zu küssen.
»Nein, Aziz. Du hast gesagt, es kostet nichts. Auch keinen Kuss.«
»Kriege ich einen Kuss, wenn ich dir ein bisschen mehr gebe?«
»Fick dich!«
»Gern«, erwidert er.
»Du träumst.« Die Wirkung des Kokains verdampft. Eigentlich will ich schon mehr, aber nicht auf diese Weise. Ich laufe ein bisschen herum. Victor! Mein Mund verzieht sich zu einem Lächeln. Victor sitzt an einem Tisch vor der Tür. Ich nehme meinen Drink, fahre mir durchs Haar und gehe hinaus, bin fast da und will Hallo sagen, als ich aus den Augenwinkeln Mary bemerke. Kurzes hellrotes Kleid, stramm über den Titten. Ich bleibe stehen. Sie haben mich nicht gesehen. Sie setzt sich mit einem mürrischen Gesichtsausdruck, ohne ihn anzusehen. Er sagt irgendetwas, sieht müde aus, gestikuliert. Sie antwortet kurz, schüttelt den Kopf. Es sieht aus, als würde er fluchen, als er aufsteht und direkt auf die Bar zugeht. Ich mische mich unter die Gäste, kann aber nicht verschwinden. Er hat mich gesehen.
»Samantha!«
»Hey. Alles okay?«
Victor lacht und schüttelt den Kopf.
»Ich hätte mir eine anständige Frau suchen sollen«, sagt er und sieht mich unverfroren an. »So eine wie dich.«
»Du kennst mich nicht.«
»Noch nicht«, erwidert er. Ich spüre, dass ich erröte; hoffe, dass er es bei der dunklen Beleuchtung des Raums nicht bemerkt.
»Ist mit … Mary alles in Ordnung?«
»Ja, ja. Sie ist nur sauer, dass ich sie nicht nach England begleiten will.«
»Will sie nach England?«
»Ja, es gefällt ihr hier nicht. Hör zu, Samantha: Ich weiß nicht, warum sie mir nachgereist ist. Ich habe sie nicht eingeladen. Sie ist einfach nur eine Frau, die ich vor einem Jahr kennengelernt habe. Du kannst dich gern zu uns setzen, allerdings hättest du vermutlich nur wenig Spaß.«
»Ist schon okay.«
»Gut. Wir sehen uns ein andermal?«
»Ich warte noch immer auf das Telegramm«, erwidere ich.
»Okay.« Er greift zu den Drinks, die er bestellt hat, und geht zu Mary. Ich suche Jarno und Salomon.
»Jarno, wir fahren jetzt«, erkläre ich ihm. »Das heißt, ich fahre.« Es gelingt mir, ihm den Schlüssel abzunehmen. Obwohl er ziemlich fertig ist, spüre ich seinen steifen Schwanz an meinem Hintern, als ich uns zurück in die Stadt fahre. Ich steige vor dem Tor von Melindas Haus ab und rufe den Wachmann.
»Willst du nich’ mitkommen?«
»Nein, danke. Gute Nacht.«
Lion of Zion
Zurück nach Tanga. Eine Woche tödliche Langeweile. Die Hure Halima hält Hof im Haus meiner Kindheit. Meine Schulbücher verstauben, obwohl ich in ihnen lesen sollte, um nicht allzu viel zu versäumen. Ich wohne mit Alison in dem größten Bungalow; sie ist wütend auf Vater, aber da er nicht da ist, lässt sie es an mir aus. Außerdem vermisst sie Frans. Glücklicherweise bekommt der einen Platz in einem Flugzeug zum Kilimanjaro Flughafen, Alison und er treffen sich in Arusha, und ich fahre mit einer glücklichen Alison nach Moshi.
Zurück in der Schule. Alle anderen sind bereits seit einer Woche da. Ich sehe Christians Rücken auf dem Flur. Gehe hinter ihm her und hake ihn unter.
»Hey!«, ruft er überrascht aus – die anderen glotzen wie immer.
»Wie waren deine Semesterferien?«, frage ich ihn.
»Die ganze Woche bestand mein Vater darauf, dass ich zu Hause bleibe und büffele. Der Tod.«
»Und hast du’s gemacht?«
Christian grinst und zuckt die Achseln. »Ich hatte keine Chance. Er hat mein Motorrad an einem Baum im Garten angeschlossen. Manchmal hat er es freigelassen, wenn er von der Arbeit nach Hause kam.«
»Du hättest den Baum fällen können.«
»Ich hab keine Axt. Und bei dir? Suspendiert wegen Saufens. In Tanga?«
»Totlangweilig. Aber ich bin nach Dar gefahren. Das war okay. Doch die letzte Woche in Tanga, stinklangweilig.« Es klingelt. »Bis nachher!« Ich lasse seinen Arm los.
Er bleibt stehen, als ich mit dem Arsch den Gang hinunterwackele.
In der Snackpause sehe ich Salomon – er ist vollkommen kahl.
»Na, bist wohl kein Rasta mehr?«
Die Dreadlocks sind ein Symbol für die Mähne
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