Existenz
Oder als eine sich hemmungslos fortpflanzende, alle Ressourcen verschlingende Spezies. Oder als Einmischer voller selbstgerechter Boshaftigkeit, kalt und ohne Mitgefühl. Nicht die edlen Sternreisenden, die wir uns in hochsinnigen Geschichten vorgestellt haben. Stattdessen die Art von herzlosen Nachfahren, die wir enterben würden … wenn solchen Leuten irgendetwas daran läge, was wir über sie denken.
Jede dieser vier Kategorien könnte den Großen Filter enthalten. Jene Falle oder Fallen, die die Anzahl der zuversichtlichen, geselligen, sternreisenden Völker auf das enttäuschende Fast-Nichts reduzieren, das wir beobachten. Die dafür sorgen, dass ein Himmel, der voll sein sollte, leer ist.
Das Füllhorn der Pandora
Powlower 1 8
Gott sei Dank für den einunddreißigsten Zusatzartikel und das Föderalismusgesetz.
Es war zu einer Litanei geworden, als MediaCorp Tor immer wieder bat, im Lauf ihrer Reise über den Kontinent exzentrische VIPs zu besuchen. Wenigstens glaubte sie inzwischen, den wahren Grund für ihre Reise zu verstehen. Was die Leute in der Chefetage von ihrer neuen aufstrebenden Journalistin erwarteten.
Es gibt nicht mehr ein Amerika. Wenn es jemals eins gegeben hat.
Man nehme nur ihren kurzen Besuch im Panhandle-State, dem sechsundfünfzigsten Stern auf der Fahne, wo sie Repräsentanten der regierenden Partei begegnet war, die im kommenden Jahr ihre Sezession durchsetzen und vom Sternenbanner springen wollte. Auch wenn das ein weiteres KIware-Embargo bedeutete. Unterdessen sprach man nebenan, im kosmopolitischen Oklahoma, erneut über einen Anschluss an die EU …
… was dem unionistischen Missouri ganz und gar nicht gefiel. Dort gewannen die Blaujacken immer mehr Zulauf, und es waren bereits mehrere Kasinos niedergebrannt worden.
Ein Zyniker hätte all diesen Zorn vielleicht auf die Wirtschaft zurückgeführt. Die Ausbreitung der Dust Bowl. Der Cornahol-Kollaps. Im einstigen Kerngebiet des großen Landes stieß Tor nach dem Wohlstand der Zwanziger- und Dreißigerjahre auf Hilflosigkeit und Enttäuschung, auf das Bestreben, jemandem die Schuld für alles zu geben.
Doch während der vergangenen Woche waren Tors Gedanken oft zu dem Gegenstand in ihrer Tasche zurückgekehrt, zu Dr. Satos kleinem Relikt; es fiel ihr noch immer schwer zu glauben, dass der Atkins-Direktor ihr diesen Gegenstand wirklich geschenkt hatte. Ein neolithisches Steinwerkzeug, dreißigtausend Jahre alt. Eines von vielen, zugegeben – Anthropologen hatten Tausende davon gefunden, in Europa, Afrika und Vorderasien. Doch zweifellos hatte das Objekt einen gewissen Wert: mehrere Hundert New Dollars bei einer Online-Versteigerung.
Eine versuchte Bestechung für einen guten Bericht? Aus irgendeinem Grund bezweifelte sie das. Jedenfalls, auf ihre Berichterstattung blieb es ohne Einfluss. Die Behandlungen des Atkins-Zentrums schienen vielversprechend zu sein, aber wohl kaum ein Allheilmittel für die weltweite Autismusseuche. Die dortige Vorgehensweise eignete sich nur für »hochfunktionale« Patienten, die bereits in der Lage waren, einigermaßen vernünftige Gespräche mit anderen zu führen. Was Millionen von akuten Opfern betraf – die auf kleine Details fixiert waren, Blickkontakte vermieden und gereizt auf alles Ablenkende reagierten, oder andere, die durch Korridore bizarrer virtueller Realitäten wandelten, denen ein normaler Verstand kaum folgen konnte –, bot Sato nur verzweifelten Familienangehörigen ein wenig Hoffnung.
Dennoch, die Begegnung mit jenem merkwürdigen Mann gab Tor Grund für einen weiteren Zwischenstopp, bevor sie die Reise zu ihrem neuen Job im Erneuerten Washington fortsetzte: Sie wollte bei der halbjährlichen Gottesmacher-Konferenz vorbeischauen, die diesmal in Nashville stattfand, in der Stadt der Toleranz und Gastfreundschaft.
Sie sollte besser tolerant sein, dachte Tor, als sie an wachsamen Tür-Sniffern vorbeiging und das große Metro Convention Center betrat. Diese Leute tragen eine große Zielscheibe auf dem Rücken und sind auch noch stolz darauf.
Ein reales Banner aus echtem Stoff in der Nähe des Eingangs verkündete:
DAS MORGEN GRÜSST DIE KÜHNEN!
Daran hatten Tagger ein virtuelles Graffito befestigt, die grellen Farben für alle sichtbar, die eine Brille trugen:
Und der nächste Dienstag grüßt die Leichtgläubigen!
Dahinter, zu beiden Seiten zahlreicher Gangreihen, warben Unternehmen, Stiftungen und Selbstorg-Gruppen mit geschickt dekorierten Ausstellungsständen und
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