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Exit Mosel

Exit Mosel

Titel: Exit Mosel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mischa Martini
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Boot.«
    Nebenan hatte das Weinen aufgehört.
    Annika rutschte von ihrem Stuhl und kam mit erhobener Hand zu ihm. »So viel Mal?«
    »Genau«, er hob sie auf sein Bein und zupfte an ihrer Daumenspitze. »Das ist der Daumen. Der schüttelt die Pflaumen.« Er wechselte von Finger zu Finger. »Der hebt sie auf. Der trägt sie nach Haus. Und der isst sie alle, alle auf!« Den kleinen Finger schüttelte er besonders gründlich, während sie gluckste. »Ich kann schon bis über hundert zählen.«
    Kaum hatten sie eine Stunde später den Kindergarten betreten, ließ Annika seine Hand los und stürmte, ohne sich damit aufzuhalten, ihre Jacke an die Garderobe zu hängen oder ihm Tschüss zu sagen, um die Ecke in Richtung der Bärenhöhle, ihres Gruppenraums. Einen Augenblick blieb er in dem leeren Flur stehen und lauschte dem Gesang hinter einer der bunten Türen. Eigentlich hatte er erwartet, noch eine Zeitlang hier bleiben zu müssen. Zögernd verließ er das Haus und wendete sich der Fußgängerzone zu.
    *
    Im Polizeipräsidium war Grabbe ans Fenster seines Büros getreten, weil schon seit einer Weile ein Martinshorn zu hören war. Unten im Hof umringte eine Gruppe Kinder einen Streifenwagen, an dem alle Türen offen standen.
    Auf seinem Schreibtisch klingelte das Telefon.
    »Wir haben das Auto gefunden«, klang es aus dem Hörer, noch bevor Grabbe sich melden konnte. Er kannte die Stimme des Anrufers, wusste sie aber nicht sofort zuzuordnen. Das Motorgeräusch im Hintergrund ließ vermuten, dass der Mann von unterwegs anrief.
    »Wo?«, fragte Grabbe.
    »Ist Walde da?«, kam die Gegenfrage.
    Im gleichen Moment, in dem Grabbe auf die Nummer im Display seines Apparates sah, erkannte er auch wieder die Stimme von Stadler von der Wasserschutzpolizei. »Der hat Urlaub.«
    »Und Gabi?«
    Grabbe gab den Hörer an seine Kollegin Gabi weiter und flüsterte ihr dabei zu, wer sich in der Leitung befand.
    »Hallo Günther.«
    »Hallo Gabi, wie geht’s?«
    »Frag’ mich nicht! Was gibt’s?«
    »Wie gesagt, wir haben es gefunden.«
    »Was?«
    »Das Auto, also nicht direkt wir, die Taucher von der Feuerwehr haben es entdeckt.«
    Gabi schnaufte. Das konnte sie am frühen Morgen besonders gut leiden, wenn einer sein Gespräch mit einem kryptischen ‚wie gesagt’ begann und noch gar nichts gesagt hatte. »Ich vermisse kein Auto.«
    »Das heute Nacht unter der Brücke bei Kenn gebrannt hat und dann in die Mosel geraten ist. Das kannst du ja wahrscheinlich auch nicht wissen. Ich drücke mich nicht ganz so klar aus, weil, ich hab’ heute Nacht kaum geschlafen.«
    Am liebsten hätte sie gesagt, ich auch nicht, aber sie bekam gerade noch die Kurve. »Und, was ist damit?«
    »Wir können es in zwei, drei Stunden heben.«
    »Und was habe ich damit zu tun?«
    »Wie gesagt, im Kofferraum …«
    »Günther!« Gabi platzte der Kragen. »Vom Kofferraum hast du mir noch gar nichts gesagt!«
    »Es ist ja auch nicht unbedingt der Kofferraum, man könnte bei einem Kangoo mit umgeklappter Rückbank auch von Laderaum sprechen.«
    »Hallo?«, rief sie in den Hörer und stützte dabei den Kopf in die Hand. »Was redest du da? Hast du getrunken?«
    »Das hätte ich vielleicht besser getan.«
    »Warum?« Gabi hielt sich reflexartig eine Hand über Mund und Nase und hauchte hinein. Sie roch zwar nichts, schob sich aber vorsichtshalber ein weiteres Drops in den Mund.
    »Da ist eine Leiche drin, sagen die Taucher.«
    »Unfall?«
    »Wie gesagt, das solltest du dir besser selbst ansehen. Der Prahm zum Bergen ist unterwegs. Am besten, du kommst um elf zum Anlegesteg am Wasser- und Schifffahrtsamt, dann nehmen wir dich mit.«
    »Schöne Scheiße«, seufzte Gabi und zog eine Packung Zigaretten aus ihrer Handtasche. Das empörte Räuspern ihres Kollegen Grabbe ignorierend, steckte sie die Zigaretten wieder ein. Im ganzen Haus herrschte Rauchverbot, und im Hof war es ihr zu kalt. Und außerdem war ihr schlecht.
    *
    Auf den Straßen der Fußgängerzone war es noch morgendlich ruhig. Spätestens in einem Monat würde der Weihnachtstrubel losgehen. Vor einer Buchhandlung stapelten sich auf den Tischen billige Bücher. Walde fröstelte. Er wechselte auf die andere Straßenseite und betrat ein Kaufhaus. Auf der Rolltreppe überlegte er, ob er Socken kaufen sollte, und landete dann doch oben in der Musikabteilung, wo er zwischen den Regalen mit Jazz-CDs hindurchschlenderte, ohne stehen zu bleiben. Wieder auf der Straße, knöpfte er seine Jacke zu. Auf dem Hauptmarkt

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