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Exit Mosel

Exit Mosel

Titel: Exit Mosel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mischa Martini
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Heldentaten vollbracht werden konnten, wenigstens mit seinem Wissen über die Bestimmungen glänzen.«
    »In diesem Punkt unterscheiden sich die Feuerwehrleute kaum von Polizisten.«
    Ihre Fingernägel bekamen einen abgebrochenen Stachel im Daumenballen zu fassen. Sie knöpfte ihre Jacke zu und freute sich auf die Heizung im Auto.
    Wenn nichts Weiteres mehr anliegen würde, konnte sie den Rest der Nacht damit verbringen, den Papierkram zu erledigen. Es hatte sich nicht viel ereignet. Zwei unspektakuläre Unfälle, ein versuchter Einbruch in einen Getränkevertrieb, eine Anzeige, häusliche Gewalt betreffend, die sich als verbaler Disput herausgestellt hatte, und die Brandgeschichte von vorhin.
    *
    Hinter den Fenstern war noch tiefe Nacht. Mathilda schien zu schlafen. Walde hörte ihren schnellen Atem aus dem Stubenwagen neben sich. Doris war gleich nach dem Stillen wieder eingeschlafen. Er hatte das Baby aus dem Bettchen zu Doris gehievt und es dann wieder zurück in den Stubenwagen verfrachtet. Das hatte er schon damals bei Annika, seiner ersten Tochter, getan. Annika war nun vier Jahre alt und schlief nachts längst durch. Ihre fünf Wochen alte Schwester Mathilda bekam alle drei Stunden die Brust und wurde danach häufig von Bauchschmerzen geplagt. Walde und Doris wechselten sich dabei ab, Mathilda in einer für ihr kleines Bäuchlein entspannenden Haltung durch die Wohnung zu tragen. Seit einer Woche hatte Walde Urlaub, um Doris nachts, abgesehen von den Stillzeiten, zu entlasten. Heute Nacht hatte Mathilda wieder große Schwierigkeiten mit ihrer Verdauung. Walde hatte das laut klagende Kind auf langen Rundwegen durch die Wohnung getragen, ihr zugeflüstert, sie im Rhythmus gewiegt, ihr leise vorgesungen, ihr die Windel gewechselt und sie vorsichtig auf ihr Schaffell gelegt, als die Beschwerden nachließen und sie erschöpft eingeschlafen war. Wenige Sekunden später schlief auch Walde wie auf Knopfdruck ein. Die Zeit war viel zu kostbar, um sich noch um irgendwas Gedanken zu machen. Und da ihn nichts Berufliches beschäftigte, schlief er bereits beim Hinlegen ein, noch bevor sein Kopf das Kissen richtig berührt hatte.

Dienstag
    Ein leichter Druck auf seinen Rücken ließ Walde aufwachen. Hinter den Vorhängen war die Dämmerung zu ahnen. Doris’ Hinterkopf zeichnete sich dunkel auf dem Kissen ab. Wenn er seinen Atem anhielt, konnte er den des Babys hören.
    Behutsam drehte er sich um und schaute in zwei ganz nahe grüne Augen. Seine große Tochter Annika hatte sich in sein Bett geschlichen. Er legte einen Zeigefinger auf seine Lippen, und sie verließen ganz leise das Bett.
    Beim Frühstück zupfte Walde den Lokalteil aus der Zeitung. Bei einem Gauklerschwimmen sollte eine Lebensrettung stattfinden. Erst auf den zweiten Blick erkannte er, dass es sich um ein Glaukosschwimmen in der Mosel handelte, aber auch damit konnte er wenig anfangen.
    Während er weitere Meldungen überflog, sah er, wie Annika mit einem grünen Stift die Kästchen des Kreuzworträtsels ausmalte. Am Rand klebte ein Klecks Erdbeermarmelade, der ihr vom Brot geglitten war. Er dachte an die Linkshänder, die manchmal nach stundenlangen Verhören ihre Aussagen unterschrieben, dabei das Blatt auffällig schräg hielten oder nach dem Ansetzen des Stifts zögerten, als könnten sie überhaupt nicht schreiben, und dann, wenn er nur mehr zwei Kreuze erwartete, mit festem Strich schwer leserliche Namen kritzelten. Annikas Malbewegungen wirkten dagegen ziemlich locker.
    Er legte die Zeitung zur Seite. »Kommst du nachher mit, dann bringe ich dich in den Kindergarten?«
    Sie war nicht mehr dort gewesen, seit Doris mit dem Schwesterchen aus dem Krankenhaus gekommen war.
    Nur das Kritzeln von Annikas Stift war zu hören.
    »Die warten dort schon so lange auf dich. Hmh?«
    Sie reagierte nicht.
    »Kommst du mit?«
    »Weiß nicht«, antwortete sie leise.
    »Dann kannst du nachher Mathilda erzählen, was im Kindergarten los war.«
    »Da ist es doch langweilig.« Sie zog das letzte Wort in die Länge.
    »Ist es denn hier spannender?«
    Nebenan weinte das Baby.
    »Weißt du was? Wenn du in den Kindergarten gehst, also, dann machen wir eine Bootstour über die Mosel.«
    »Auf die andere Seite?«
    »Nein, eine richtige Tour mit dem Boot nach Pfalzel und wieder zurück.«
    Der Stift in ihrer Hand war zum Stillstand gekommen.
    »Also, wenn du eine Woche gegangen bist, also fünf Mal, das ist genauso viel wie du Finger an einer Hand hast, dann fahren wir mit dem

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