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Exit to Eden

Exit to Eden

Titel: Exit to Eden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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gräßliche Angst. Und ich war ein Schwein.
    Eine volle Stunde lang konnte ich sie nicht überreden herauszukommen. Ich hatte die Kakerlake nach draußen befördert und umgebracht. Sie war tot. Es tue mir leid, sagte ich, ich würde dergleichen nie wieder tun, ich sei ruppig und gemein gewesen.
    Aber gerade als ich sie beruhigt hatte und sie mir glaubte, daß ich einsah, mich gräßlich benommen zu haben, mußte ich einfach noch eine kleine, hänselnde Bemerkung fallen lassen: »Natürlich würde ich dir niemals eine dicke, klebrige, häßliche, vielfüßige, krabbelnde, braune Kakerlake ins Hemd stecken!«
    Ich wußte, daß ich das nicht hätte sagen sollen, es war so sadistisch, aber gleichzeitig war es so verdammt komisch, daß ich mich nicht hatte bremsen können.
    Schließlich bettelte ich, daß sie herauskommen möge.
    »Ich hasse dich, Elliott«, sagte sie endlich mit tiefer, inbrünstiger Stimme. »Du verstehst das nicht. Du hast keine Ahnung, wie das ist. Du kannst dir nicht vorstellen, wie mir zumute ist! Ich schwöre bei Gott, daß ich dich in diesem Augenblick zutiefst hasse. Ich hasse dich wirklich.«
    »Lisa, bitte, entschuldige! Es ist sieben Uhr. Es ist dunkel. Wir sind in dieser beschissenen Sumpfland-Stadt. Ich habe Hunger. Komm raus! Wenn du nicht rauskommst, Lisa, dann wird Mister Macho jetzt diese verdammte Tür aufbrechen.«
    Sie kam nicht raus.
    Ich brach die Tür auf.
    Es war ganz leicht. Die Scharniere waren rostig, und als ich mit dem Holzstuhl dagegenschlug, brachen sie aus dem Rahmen. Lisa stand mit verschränkten Armen auf der Toilette vor ihr lag die zerkratzte Tür, und sie starrte mich an. Der Türrahmen war völlig zersplittert.
    »Schau, Mama«, sagte ich und hielt ihr beide Handflächen hin. »Keine Kakerlaken. Ich schwör's.« Ich stand ruhig da und lächelte sie an, flehte sie schweigend an. Ich winkte ihr, doch bitte runterzusteigen und zu mir zu kommen; und dann gab sie nach, sprang von der Toilette, lief über die Tür und fiel mir in die Arme.
    »Ich will raus aus diesem Rattenloch«, sagte sie. Ich hielt sie im Arm und küßte sie, strich ihr das Haar aus dem Gesicht und entschuldigte mich wieder. Und leise und heiß und hilflos brach sie wieder in Tränen aus.
    Es war ein außergewöhnlicher, süßer Augenblick, und ich kam mir vor wie ein Schwein.
    Der Manager trommelte an die Eingangstür, seine Frau keifte laut.
    Wir kriegten wieder alles auf die Reihe. Der Fahrer wartete schon draußen. Ich gab dem Manager einen Hundertdollar-schein für den entstandenen Schaden und sagte mit höhnischer, hochnäsiger Stimme: »Soll Ihnen eine Lehre sein, an Rockstars zu vermieten.«
    Wir krümmten uns vor Lachen, als wir ins Auto stiegen.
    »Gottverdammte Hippies!« schimpfte der Manager.
    Das versetzte uns in Hysterie.
    Dreißig Kilometer außerhalb der Stadt fanden wir ein großartiges Restaurant an der Landstraße, mit eisiger Klimatisierung, und wir aßen alles, worauf ich Lust gehabt hatte, auf sechs unterschiedliche Arten zubereitete Garnelen und Jambalaya, und tranken kaltes Bier, und die Juke-Box spielte die schönste Kakophonie von Cajun-Musik, die ich mir wünschen konnte. Ich fraß wie ein Schwein.

    S tunde um Stunde rollten wir nordwärts. Wir schmusten, plauderten ein bißchen, und um uns herum fiel langsam die Nacht ein, und es spielte eigentlich keine Rolle,wo wir waren oder wo wir hinfuhren.
    Als wir wieder leichten Hunger verspürten (ich jedenfalls, nicht sie. Sie staunte, daß ich schon wieder hungrig war), fuhren wir in ein Autokino, ließen den Fahrer zum Schlafen auf den Rücksitz, kauften Hot Dogs und Popcorn und schauten uns Mad Max III mit Mel Gibson an, einen australischen Film von George Miller, den ich trotz der ironischen, sarkastischen Witzeleien seitens der weiblichen Insassin des Wagens fabelhaft fand.
    Ich hatte ein Sechserpack Bier getrunken. Ich döste ein, als der zweite Teil endete, und sie startete den Motor.
    »Wo fahren wir hin?« fragte ich schlaftrunken. Ich konnte kaum aus den Augen gucken.
    »Schlaf nur«, sagte sie. »Wir sind auf dem Weg in unbekanntes Gelände.«
    »Unbekanntes Gelände.« Das gefiel mir. Der kühle Wind der Klimaanlage wehte über mir. Ich kuschelte mich an sie und streckte die Beine seitlich aus. Die Nacht war ein Traum.

ELLIOTT
Warmhalten
     
    Als ich aufwachte, schien die Sonne durch die Windschutzscheibe, und wir fuhren mit mindestens hundertsechzig Stundenkilometern. Der Fahrer schlief noch immer auf dem

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