Exit to Eden
redeten über Enttäuschungen und Träume. Es war unwirklich, mit hundert Stundenkilometern durch die flache Landschaft von Louisiana zu fliegen. Der Deich versperrte den Blick auf den Mississippi, und der Himmel war häufig über grünem Laub versteckt.
Die Klimaanlage war leise und angenehm kühl, und wir rollten durch einen Tunnel der Zeit, wie wir durch einen Tunnel aus üppig strotzendem Grün des subtropischen Landes rollten.
Wir hatten reichlich Getränke in der kleinen Kühlbox. Wir hatten kaltes Bier und Kaviar und Cracker. Wir schalteten den kleinen Farbfernseher ein und schauten Shows und Serien an.
Und dann machten wir Liebe, wundervoll verkaterte Liebe, ohne Augenbinde, ohne alles, einfach ausgestreckt auf dem breiten, weichen Sitz.
Doch in Oak Alley geriet ich ins Grübeln, vielleicht weil es eine der prachtvollsten Plantagen ist, die ich je gesehen habe. Oder vielleicht auch, weil ich endlich ein bißchen Zeit zum Nachdenken hatte.
Oak Alley hat tatsächlich eine Eichenallee, die zum Eingang des Hauses tiihrt. Es ist eines jener wirklich harmonischen Häuser mit einer zentralen Eingangshalle und mit Treppen, die einem das Gefühl geben, jede andere Art von Haus sei unordentlich. Aber Oak Alley ist nicht nur erhaben und würdevoll. Da ist die Farbe des Lichts, das durch das Eichenlaub fällt, das hohe Gras, in dem man zu versinken meint, wenn man ums Haus geht; da sind die schwarzen Angus-Kühe in der Ferne, die einen anstarren wie Geister aus einer exotischen Vergangenheit; da sind die runden Säulen, die hohen Veranden, und über allem liegt eine wundervolle Ruhe.
Ich war störrisch und still, während wir herumstreiften, ich mußte mir über etwas klarwerden.
Ich liebte sie. Ich hatte es ihr und mir selber mindestens dreimal gesagt. Sie entsprach in jeder Hinsicht der Frau, die ich mir immer gewünscht hatte, vor allem, weil sie sinnlich war und ernst; sie war klug, und sie war direkt und schmerzhaft ehrlich auf ihre eigene Weise, was wohl der Grund dafür war, daß sie jetzt schwieg. Und zu alledem war sie schön, unerbittlich schön. Egal ob sie redete oder schwieg, tanzte oder lachte oder aus dem Fenster schaute; sie war die erste Frau, die ich so interessant fand wie einen Mann.
Wäre Martin hier gewesen, hätte er vielleicht gesagt: »Ich hab's dir doch gesagt, Elliott. Du hast die ganze Zeit nach ihr gesucht.«
Mag sein, Martin. Mag sein. Aber wie hättest du, oder irgendwer sonst, das hier vorhersagen können?
Das war alles ganz wunderbar. Sie hatte uns auf spontane und romantische Weise aus dem Club herausgeschmuggelt, genauso wie ich es in der ersten Nacht gehofft hatte. Aber es war klar, daß es dafür mindestens drei mögliche Gründe gab. Entweder sie liebte mich, oder sie hatte die Nerven verloren. Oder sie gönnte sich tatsächlich nur ein kleines Vergnügen. Also ich meine, wenn du sechs Jahre lang im Club gelebt hast, dann ist das Ausleben von Phantasien wirklich dein Ding, stimmt's? Aber was auch immer zutraf - sie wollte es mir nicht sagen. Als ich ihr sagte, daß ich sie liebte, war ihr Gesichtsausdruck so offen und zugänglich, wie ich es mir nur wünschen konnte. Aber sie hatte nicht geantwortet. Sie legte sich nicht fest. Entweder konnte oder wollte sie nicht rauslassen, was in ihr vorging
Also gut. Was war zu tun? So bockig, grüblerisch und schweigsam ich auch sein mochte, ich liebte sie und den Irrwitz der ganzen Geschichte. Aber was sollte ich tun?
Als wir Oak Alley verließen und die Limousine auf die Flußstraße fuhr, war ich soweit zu glauben, daß die Situation genauso war, wie Männer sie sich wünschen: Sex und Spaß ohne Verpflichtungen, eine Affäre ohne Bindung. Nur war sie diejenige, die sich wie ein Mann verhielt. Und ich war derjenige, der sich wie eine verdammte Frau benahm und wollte, daß sie mir endlich sagte, wie es denn nun eigentlich mit uns stand.
Ich war ziemlich sicher, daß ich, wenn ich sie unter Druck setzen und erklären würde: »Schau, du mußt es mir sagen. Wir können keinen Schritt mehr weitergehen, wenn du mir nicht sagst, wie es mit uns steht«, die ganze Sache zerstören würde. Mit hoher Wahrscheinlichkeit. Sie könnte mir etwas so Enttäuschendes und Simples antworten, daß es mich vollständig zerschmettern würde.
Ich beschloß, sie einfach weiterhin zu lieben und nichts mehr zu sagen. Es war ein bißchen wie an jenem ersten verkaterten Morgen, als ich ihr gesagt hatte, sie würde mir weh tun und das wäre okay. Ungefähr.
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