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Exit to Eden

Exit to Eden

Titel: Exit to Eden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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anderen Freund mitbringen wollte, fühlte ich mich betrogen.
    Lange, qualvolle Abende anschließend, als ich durch die Innenstadt von San Francisco wanderte, Gesichter prüfte, die mir begegneten, in die Eingangshallen der großen Hotels schaute und dachte, ja, irgendwo, irgendwo gibt es einen Mann, einen eleganten, erfahrenen Mann, einen neuen Anfang, eine Person, unendlich viel klüger, herrischer, diskreter.
    Zu Hause neben dem Telefon mit den Kleinanzeigen vor mir. Ist das ein verschlüsselter Code für das, was ich meine? Wage ich es, die Nummer anzurufen? Ich machte die üblichen Erfahrungen - Seniorenbälle, Kinobesuche -, murmelte hin und wieder etwas, um Lustlosigkeit, Rastlosigkeit zu entschuldigen dieses ekelhafte Gefühl, eine Mißgeburt zu sein, ein heimlicher Verbrecher. Wanderte an den Ladentheken vorbei, wo die Lederhandschuhe in der Glasvitrine lagen und ein wenig düster auf dem weißen Seidenpapier in der flachen Schachtel aussahen. Ja die hatte ich gern, diese langen, engen schwarzen Handschuhe ... Und den breiten Ledergürtel um die Taille, der mich einschnürt wie ein exotischer Hüfthalter, ja, und schwarze Seide und hohe, enganliegende Stiefel, sobald ich sie mir leisten könnte. Und schließlich, ungläubig und erregt errötend, in einem Buchladen in der Nähe des Berkeley-Campus die Entdeckung jenes schockierenden französischen Klassikers, den andere bereits seit Jahren kannten und der in seinem glatten, weißen Einband so unschuldig wirkte:
Die Geschichte der O.
    Nein, du bist nicht allein.
    Ich fühlte alle Blicke auf mich gerichtet, als ich das Buch bezahlte. Noch immer rot und mit glasigen Augen saß ich im Café Méditerranée, Seite um Seite, scherte mich nicht darum, ob mich jemand sehen, mich ansprechen, Kommentare dazu abgeben könnte, und klappte es erst zu, als ich es zu Ende gelesen hatte, starrte durch die offenen Türen auf die Studenten, die im Regen die Telegraph Avenue entlangeilten, und dachte, daß ich mein ganzes Leben nicht nur mit der Phantasie leben wollte, nicht einmal, wenn ...
    Aber ich habe Barry nie wieder angerufen. Es war auch nicht eine dieser rätselhaften persönlichen Kleinanzeigen; es war keine dieser platten Botschaften, die zwischen Sadisten und Masochisten ausgetauscht wurden. Es war eine höchst unschuldig wirkende kleine Anzeige in einer Lokalzeitung in San Francisco gewesen:
    Besondere Bekanntmachung: Es werden noch Anträge für die »Roissy Academy« angenommen. Zu diesem späten Zeitpunkt sollten sich nur Anwärter melden, die mit dem Trainingsprogramm vollständig vertraut sind.
    Roissy, der Name des legendären Landsitzes, zu dem O in dem französischen Roman gebracht wird. Ein Mißverständnis war ausgeschlossen.
    »Sie verwenden aber doch keine Peitsche, ich meine, irgendwas, das wirklich Verletzungen und schlimme Schmerzen verursachen kann «, hatte ich ins Telefon geflüstert, nachdem wir vereinbart hatten, woran wir einander bei der Kontaktaufnahme in einem Restaurant in San Francisco erkennen würden.
    »Nein, meine Liebe«, sagte Jean-Paul. »Niemand tut das, außer in Büchern.«
    Ach, die Höllenqual dieser lange zurückliegenden Momente, die geheimen Hoffnungen und Träume ...
    Jean-Paul hatte so europäisch ausgesehen, als er sich von dem Tisch im Enrico's erhob. Samtjackett mit schmalen Aufschlägen. Wie ein hinreißender, dunkeläugiger französischer Schauspieler aus einem Visconti-Film.
    »Eine wahrhaft sinnliche amerikanische Frau, was für ein Schatz«, hatte er geflüstert, als ich den Kaffee ausgetrunken hatte. »Aber warum hier Zeit verschwenden? Komm mit.«
    Ja, Höllenqual, das war das Wort dafür, so jung zu sein, so triebhaft und so furchtsam ... Irgendein heidnischer Engel muß mich in jenen Tagen beschützt haben.
    Meine innere Uhr läutete stummen Alarm. Richard wartete, und jetzt waren wir die heidnischen Engel. Wir hatten nur noch knapp eine halbe Stunde, bevor die neuen Sklaven in die Empfangshalle kamen.

ELLIOTT »A Walk on the Wild Side«
     
    Ich dachte, diese meerseitigen Terrassen wären der ganze Club und sobald wir in den Garten kamen, würden uns die ausladenden Aste der Bäume vor den bewundernden Blicken schützen. Irrtum.
    Ich beugte den Kopf und schnappte nach Luft, denn ich traute meinen Augen nicht. Der Garten erstreckte sich in endlose Ferne überall standen leinengedeckte Tische, besetzt mit elegant gekleideten Männern und Frauen, und Hunderte nackter Sklaven mit Tabletts mit Wein und Essen

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