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Exit to Eden

Exit to Eden

Titel: Exit to Eden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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sind zwei Stunden da oben rumgekreist.«
    Das Telefon klingelte.
    »Lisa, wir brauchen dich im Büro.« Es war Richard.
    »Bin gerade angekommen, Richard. Laß mir zwanzig Minuten, dann bin ich da.« Ich legte auf.
    Diana und Daniel waren fort. Himmlische Stille.
    Ich nahm einen weiteren kühlen Schluck Gin und klappte den Ordner wieder auf.
    »Elliott Slater. Berkeley, Kalifornien ... Ausgebildet in San Francisco von Martin Halifax.«
    Nicht einfach Heimat, jene Orte - Berkeley, San Francisco wo man nur hingeht, um jene spezielle Strafe zu erleiden, die man Ferien nennt. Nein. Dort waren auch die Meilensteine der langen Reise, die mich auf diese Insel, in dieses Zimmer gebracht hatten.
    Halb benommen erinnerte ich mich daran, wie alles angefangen hatte. Am Anfang hatte es für mich keinen Martin Halifax gegeben.
    Ich sah das Hotelzimmer, in dem ich zum erstenmal Liebe gemacht hatte, falls man es so nennen kann, und erinnerte mich an die hitzige, verbotene Begegnung, den Ledergeruch, das liebliche Gefühl, mich einfach gehenzulassen.
    Gab es irgendeine Erregung wie diese erste Erregung? Wie seltsam alles gewesen war, diese langen Stunden davor, als ich davon träumte - von einem erbarmungslosen, grausamen Gebieter, einem Drama von Strafe und Unterwerfung ohne wirkliche Gefahr - und nicht wagte, mit irgendeinem Menschen darüber zu sprechen; dann lernte ich Barry kennen, so gutaussehend wie in den LiebesComics, ausgerechnet in der Universitätsbibliothek von Berkeley, nur ein paar Häuserblocks von zu Hause entfernt, und er fragte mich so selbstverständlich über das Buch aus, das ich gerade las, die trübseligen Phantasien von Masochisten, von ihren Psychiatern aufgezeichnet...
    die bewiesen, . was? Daß es auch andere wie mich gab, Leute, die im Namen der Liebe gefesselt, gestraft und gequält werden wollten.
    Und dann flüsterte er mir bei unserem ersten Zusammentreffen ins Ohr, daß es genau das war, was er wollte, daß er wisse, wie man es macht, und zwar gut. Er arbeitete am Wochenende als Hoteldiener in einem kleinen, eleganten Hotel in San Francisco, und dort könnten wir hingehen.
    »Wir machen nur das, was du willst«, hatte er gesagt, und das Blut pochte in meinen Ohren, nachdem die Küsse so wenig bewirkt hatten.
    Ich hatte solche Angst, als ich die Marmortreppen hinaufstieg - den Fahrstuhl in der Eingangshalle konnten wir nicht benutzen -, als er die kleine, dunkle Suite aufschloß. Und dennoch war es genau das, was ich wollte. Fremde Umgebung. Und seine Bestimmtheit, seine Zielstrebigkeit, sein unbeirrbarer Sinn für den richtigen Moment und die Grenzen und wie sie mit unendlicher Sanftheit immer weiter verschoben wurden.
    Es war die Glut, die sich um so schneller verzehrte, weil ich kaum wußte, wer er war.
    Nicht einmal heute könnte ich mich an sein Gesicht erinnern. Nur daß er hübsch war, daß er jung war, daß er gesund aussah, wie jeder junge Mann in Berkeley, daß ich das Haus und die Straße kannte, wo er wohnte.
    Das Spannende war diese Anonymität gewesen, daß wir zwei Tiere waren, ß wir verrückt waren, ß wir in Wirklichkeit rein gar nichts voneinander wußten. Ein stilles High-School-Mädchen, zu ernsthaft für ihre sechzehn Jahre, und ein College-Student, kaum zwei Jahre älter, der Baudelaire las, rätselhafte Sprüche über Sinnlichkeit machte, pastellfarbene Sherman-Zigaretten rauchte, die man direkt beim Hersteller bestellen ßte, der wollte, was ich wollte, und einen Platz hatte, wo wir es tun konnten, eine vernünftige Angelegenheit.
    Wir machten dissonante, aber schöne Musik. Und die Gefahr? War die erregend gewesen? Nein, sie war eine häßliche Unterströmung gewesen, die erst schwand, als die Nacht vorüber war, als ich ihm erschöpft und schweigend aus dem Hotel gefolgt und durch die Hintertür hinausgeschlüpft war, erleichtert, daß nichts »Entsetzliches« passiert war, daß er nicht wahnsinnig war. Gefahr war keine Würze, sie war nichts als der Preis, den ich in jenen Tagen zu zahlen hatte.
    Im Mutterleib des Clubs gab es diesen Preis nicht - das war
seine Eigentümlichkeit, sein Beitrag, sein Daseinszweck. Niemandem wurde je etwas zuleide getan.
    Ich habe ihn zweimal gesehen, als er ein Zusammentreffen mit seinem Freund David vorschlug und wir den Nachmittag zu dritt verbrachten, als die Intimität verloren war und ich plötzlich den Eindruck hatte, wir wären keine ebenbürtigen Partner mehr; ich bekam Angst. Ein plötzlicher Anfall von Gehemmtheit. Als er einen

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