Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Exodus

Exodus

Titel: Exodus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: DJ Stalingrad
Vom Netzwerk:
Wand.
    Das
erste Wort des Kindes,
    schlaftrunken
wacht es in mir auf.
    Mein
Los ist heiter,
    mein
Weg, er liegt noch vor mir,
    das
ist der herrliche Moment.
    Gerufen
werde ich, man nennt mich: ›Junge!‹
    Doch
ich bin lang kein Jung mehr, bin ein Greis.«
    Sie
haben meinen Körper total verstümmelt, die Haut zerfetzt,
die Sehnen umgestülpt, die Bauchhöhle ausgeweidet, mit
Haken rumgestochert, alle Knochen zertrümmert. Mein Körper
hängt auf einer Streckbank, an einem Haken im Brustkorb, schon
tot. Man hat mich vergessen, Muskelkontraktionen und Reflexe sind
längst verschwunden, Exkremente und Blut auf dem Fußboden
vermischt. Sie lösen einen Knoten, meine Überreste fallen
in eine Pfütze organischen Drecks. Aus mir heraus, direkt aus
meinem Innern, irgendwo aus dem Bauch, kriecht ein kleiner, weißer,
puscheliger Spitz, vielleicht Klein Leika, mollig und agil. Er kommt
aus mir heraus ohne eine Spur von Blut, wedelt mit dem Schwanz und
schmiegt sich an die hohen Stiefel des Henkers, leckt seine vom
Morden groben Hände mit einer warmen rosa Zunge.
    »Die
Macht besteht aus schwarzem Gummi!«, schreit ein dürres
Mädel mit Sicherheitsnadeln und Dornen, zerbrechlich wie ein
kleines Reagenzglas voller Säure. Vierhundert Menschen hören
ihren Schrei und werden zu einem einzigen Brei menschlichen Abfalls,
einem Ozean von Hass und Ekstase. Alle stürzen sich
auf­einander, Pistolen, Böller, Dolche, selbstgebastelte
Klingen fliegen aus den Taschen auf den Betonboden. Alles hat seinen
Sinn verloren, und jetzt ist alles möglich. Vor einer Stunde
wurde ein Freund von uns an der Metrostation schwer verletzt, es ist
noch nicht sicher, ob er überlebt. Alle sind geladen, das Blut
schreit und rast. Aus dem Saal, der Werkhalle einer verlassenen
Papierfabrik, strömen die Leute in Wellen auf die Straßen,
stolpern über Absperrungen und Blockposten, reißen in
ihrem Strom Pfandflaschen, Bretter, Eisenrohre, Steine mit, die ihnen
in den Weg kommen. Eine endlose Menge fließt die Straßen
hinab, dorthin, wo im nächtlichen Schein der Buden die alte
Metrostation zu sehen ist. Niemand glaubt, dass dies das Ende ist,
niemand möchte es glauben. Hass. Die Metrostation ist leer, der
Strom fließt lärmend und krachend unter die Erde, zum
erbärmlichen Geknall der Drehkreuze, die niemand beachtet.
    Als
ein Großteil schon unten auf dem Bahnsteig war, und die Leute
den Zug aufhielten, damit er auf den Rest wartet, kam es zu jenem
denkwürdigen Vorfall. Die Leute, die unseren Freund
aufgeschlitzt hatten, kamen aus irgendeinem Grund wieder zu dieser
Metrostation, sahen die, die sich am Eingang drängten, und
begannen sie niederzumachen. Es waren rund dreißig Angreifer,
sie hatten sich in ihrer Kraft verschätzt. Die Menge sog sie wie
ein Vakuum die Treppen hinunter, direkt in den Höllenschlund.
Hier wurden natürlich alle durchgefickt. Es begann ein Gemetzel,
alles kam zum Einsatz – Pistolen, Gas, Messer, Baumaterialien,
Metallsperren, Rolltreppenteile. Besonders eindrücklich waren
die gläsernen Deckenleuchten, sie wurden zu langen spitzen
Scherben zerschlagen, Blut floss in Strömen. Der Zugverkehr
wurde eingestellt, die Spießer drückten sich an die
Sitzlehnen, während man vor ihren Augen Leute in blutiges
Hackfleisch verwandelte. Die Bullen schlossen sich in ihrem Kabuff
ein, die Überlebenden stürzten zu ihnen in der Hoffnung,
bei ihnen Schutz zu finden. Durchs Schlüsselloch blitzte ihnen
als Antwort der Lauf eines Maschinengewehrs entgegen.
    Niemand
blieb verschont. Einem Teil der Angreifer gelang es zunächst,
sich in der Metrostation unter die Menge zu mischen und in die
Waggons der gestoppten Züge vorzudringen. Sie versuchten, sich
unter die Spießer zu mischen, das Gemetzel zog sich durch die
Waggons. Einer hatte sich zwischen zwei verschreckten Rentnern auf
eine Bank gesetzt – den fand Sascha. Sascha war besoffen.
    »Maulwurf!
Ach du bists! Uups, Jungs, Finger weg von dem! Diesen Wichser nehmen
wir mit. Wanja, komm her!« Im Jahr davor hatte Maulwurf mit
einem Rasiermesser Wanja den Kopf aufgeschlitzt ...
    »Mir
egal«, antwortet der überraschend ruhig, »das ist
nicht mehr wichtig. Macht mit mir, was ihr wollt. Meine Pulsadern
sind schon aufgeschlitzt, in ein paar Minuten bin ich tot.« Und
wirklich, plötzlich merkten alle, dass die ganze Bank und der
Boden unter ihm eine Blutlache war, in Strömen sprudelte es aus
seinen Ärmeln. Alle waren platt, wie schlagfertig Maulwurf
reagierte, fickten ihn

Weitere Kostenlose Bücher