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Expedition Mikro

Expedition Mikro

Titel: Expedition Mikro Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kröger
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unwissenschaftlich, beinahe sagenhaft. Ihr dürft nicht vergessen, es hatten fast zehn Generationen einander abgelöst, und sie waren am Anfang – was die Umwelt anbelangt – in die Urgesellschaft zurückversetzt worden.
    Übrigens stammt von jenen einstmals Ausgestoßenen ein großer Teil des Expeditionscorps ab, auch ich.
    Es entwickelte sich die Klasse bewußter Workmen. Sie war bereits organisiert, ehe die Administration ihre Existenz gewahr wurde. Und dann zeigte sich ein unschätzbarer, entscheidender Vorteil: Die Workmen hatten Verbindung nach draußen, sie hatten Erfahrung mit der Makrowelt, dorthin zogen sie sich vor Verfolgungen zurück, dort waren sie den Verfolgern haushoch überlegen, dort rüsteten sie.
    In dieser Zeit fand auch ein beachtlicher Teil der Wissenschaftler zu den Workmen. Viele von ihnen wurden überzeugt, einige kamen zu Selbsterkenntnissen.
    Diese Forscher brachten ihre neuesten Erkenntnisse ein, Ergebnisse, die in den Händen der Workmen Kampfmittel gegen die Elite wurden. Es kam zur Spaltung, zum Bruch mit der Administration, zu ihrer Vernichtung.
    Könnt ihr euch vorstellen, was die Workmen da übernommen hatten? Sie waren etwa zwanzigtausend und hatten etwa zehntausend der Elite und über zweihunderttausend Geistesgeschwächte um sich und sie hatten die Macht.
    Es ist ein Prozeß, der bis heute nicht abgeschlossen ist, dessen Verlauf ihr euch aber vorstellen könnt.
    Als wir unsere Insel durchforscht und lebensfreundlicher gestaltet hatten, als uns Zeit blieb, auch über nicht auf den Nägeln Brennendes nachzudenken, kamen die Fragen: Welche Welt liegt hinter dem Ozean? Gibt es zu den fliegenden, kriechenden und schwimmenden Ungetümen eine Riesenwelt, ähnlich der unserer Insel in den Randregionen? Woher kommt unser gläserner Schutzschild? Da waren im Volk Sagen und Legenden, Märchen…
    Wir rüsteten vor drei Jahren eine Expedition, ein gewaltiges Schiff aus, das vierzig Prozent des Nationaleinkommens verschlang. Wir hatten eine Zeitlang Funkkontakt. Es sendete nach einer langen Reise von einer fernen, nicht bestimmbaren Küste.
    In diesen Funksprüchen wurde zum erstenmal von riesenhaften Wesen erzählt, die schemenhaft in der Ferne wie Menschen wirkten. Trugbilder, überanstrengte Phantasie eines zu sehr belasteten Expeditionsfunkers? fragten wir uns. Oder bestätigte Vision aus den Überlieferungen der Vertriebenen?
    Aus der Umgebung unserer Welt, der Insel, einem schmalen Streifen zwischen der Küste und unserem Glashaus, aus metallischen Drähten, gesinterten und gebackenen Steinen ging hervor, daß es auf diesem Planeten vernünftiges Leben gegeben hatte. Der Bericht der ›Ozean I‹ ließ hoffen, daß es jenseits unseres Denkens noch etwas gab, das vernünftig wirkte, uns aber, die zwischen Moosstämmen, Graswäldern und Quarzblöcken, zu denen ihr Sandkörner sagt, forschten und lebten, verborgen blieb.
    Die ›Ozean I‹ verstummte, ist verschollen…
    Das ist eigentlich alles. Unser Schiff ist die ›Ozean II‹.«
    Chris Noloc blickte in die Runde. Dann fügte er abschließend hinzu: »Unser Staat hat gegenwärtig etwas mehr als zweihunderttausend Einwohner. Es gibt kein Privateigentum an Produktionsmitteln mehr.«
    Hal hatte das Empfinden, als atmeten mit ihm alle im Iglu hörbar auf.
    »Die Regierung wird alle zwei Jahre vom Volk gewählt. Wir leben menschenwürdig. Unser Volk ist gesund, noch. Die Grenze der Gehirnkapazität ist jedoch erreicht. Neue Erkenntnisse gehen mehr und mehr auf Kosten alter. Wißt ihr, was es bedeutet, wenn man eine logische Handlung ausführen will und das Programm ist plötzlich weg? Man kann vorher nicht bestimmen, wo, wann… Wißt ihr, welche Gefahren damit verbunden sind? Das lähmt, das erzeugt Psychosen.
    Wir hier sind Ausgewählte, aber auch wir sind nicht für alle Zeit davon verschont. Der Kontakt mit euch ist unsere Mission, wir brauchen Hilfe. Noch kennt unser Volk die Gefahr nicht in ihrem vollen Umfang, es kennt auch nicht seine Abstammung.
    Vielleicht – so denken wir von der Mannschaft der ›Ozean II‹ – ist das ein Fehler. Aber diese mangelnde Information ist natürlich begründet, es sollen vor allem keine falsche Vorstellungen geweckt werden. Auf uns werden große Hoffnungen gesetzt.«
    Chris’ Worte waren zum Schluß leiser geworden. Er setzte sich auf den Draht.
    Es entstand eine Pause. Hal hatte das Empfinden, als laste das Gehörte drückend auf allen Anwesenden, als breite sich das Begreifen nur langsam

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