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Expedition Mikro

Expedition Mikro

Titel: Expedition Mikro Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kröger
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streikte das Flugzeug. Der Motor lief auf Höchsttouren.
    »Da sind sie«, schrie als erster Charles Ennil, das Gesicht ans Fenster gedrückt, und er pochte an die Scheibe.
    Ja, ohne Zweifel, dort vorn, etwa zehntausend Fuß entfernt, das waren Menschen wie sie, undeutlich zwar wie Schemen, eben weit entfernt, aber Menschen. Es waren vier, zwei kleinere und zwei größere. Sie saßen an einem Tisch, einer mit dem Rücken zum Hubschrauber, zwei im Profil und einer von vorn.
    »Sie essen«, raunte Carol. »Ja, sie essen!«
    In der Tat, es sah aus, als frühstückten sie.
    Der Hubschrauber stand dröhnend in der Luft.
    Die Riesenmenschen, Himmelssöhne, saßen wie hinter einem künstlichen durchsichtigen Vorhang aus schlechtem, weil schlierigem Material. Die Luft flimmerte in der Sonnenwärme.
    Chris nahm das Glas und sah lange hindurch. »Ja, es sind Menschen«, sagte er dann und reichte Gela das Fernrohr.
    »Ich muß tiefer«, mahnte Karl Nilpach.
    »Warte noch«, bedeutete ihm Chris.
    Gela betrachtete die Gesichter der Riesen. Auch sie waren verschwommen, aber jetzt scheinbar näher, achtfach vergrößert. Zur wellenartigen, verzerrenden Luftbewegung kam das Zittern von Gelas Händen. Aber dort in den Gesichtern bewegte sich noch etwas: Sie kauten! Die Münder öffneten sich zum Sprechen oder um etwas hineinzuschieben oder um zu trinken.
    »Es sind Menschen«, wiederholte Gela flüsternd, »Menschen, Riesen…« Sie gab das Glas Karl Nilpach.
    Carol und Charles blickten abwechselnd durch das zweite Fernrohr. Keiner von den fünf in der Kabine sprach mehr.
    Dann schob sich zwischen sie und die Riesen eine Buschgruppe. Karl Nilpach hielt den Helikopter abermals in der Schwebe. Durch Blattlücken waren noch immer Teile der Szenerie zu sehen.
    »Lande getrost«, sagte Chris wie abwesend. Auch er starrte zum Tisch in der Ferne.
    Und dann stand der Rotor. Die Stille stürzte auf sie ein, wohltuend und beängstigend zugleich.
    Links an den verästelten Stämmen der Buschgruppe vorbei, die unüberschaubar zum Himmel aufstrebte, waren in der Ferne die Menschen zu sehen. Wie eine Halluzination über den Horizont hinausragend, schablonenhaft mit ineinanderfließenden Farbflächen, einem Fernsehbild gleich, über das Störungswellen fließen.
    Carol, die noch am vorderen Kabinenfenster lehnte, ließ sich in den Kopilotensitz zurückfallen. Sie fuhr mit den Händen über das Gesicht, dann blickte sie gedankenversunken vor sich hin.
    Charles Ennil war auf sie aufmerksam geworden. »Was ist, Doktor«, rief er, »freust du dich nicht? Wir haben große – zugegeben, sehr große Brüder. Eine Sage erfüllt sich, das größte Ereignis in unserer Geschichte! Dort sitzen sie und frühstücken!«
    »Sie sind einfach zu groß, verstehst du? zu groß!« Carol sagte das in einem Ton, der die anderen aufmerksam werden ließ. Es klang wie Verzweiflung oder ohnmächtiges Kapitulieren vor einer übermenschlichen Aufgabe.
    »Was hast du, Carol?« fragte nun auch Gela. »Charles hat recht. Einen solchen Augenblick hat es noch nicht gegeben, das ist…«, sie suchte nach Worten, »als wäre zu unseren Vorfahren der leibhaftige Herrgott herabgestiegen – oder so ähnlich.«
    »Ich weiß ja – und ich freue mich genauso wie ihr. Nur…«, Carol sprach zögernd, »fürchte ich, es könnte bei dieser Freude bleiben, versteht ihr? Eine platonische Freude, für uns und noch für unsere Nachfahren. Oder habt ihr eine Lösung, wie wir ihnen nahekommen könnten, mit ihnen gar sprechen, von ihnen vielleicht lernen? Wie?« Carol zuckte mit den Schultern.
    »Schaut hin! Wir sind Meilen von ihnen entfernt, und schon füllen sie fast unser gesamtes Gesichtsfeld aus. Je näher wir kommen, desto weniger sehen wir eigentlich. Es sind dann keine Menschen mehr, sondern grobstrukturierte Gewebe oder schwarze, die Sonne verdunkelnde Flächen – denkt an ihre Schuhsohlen! Wir stehen vielleicht auf ihren Händen und wissen es nicht, halten ihre Haut für eine – was weiß ich – Kraterlandschaft oder organische Wüste. Und sie? Wenn wir uns nicht vorsehen, atmen sie uns womöglich ein, und sie niesen noch nicht einmal dabei…«
    »Das möchte ich überhört haben!« unterbrach sie Karl Nilpach in einem Ton, der im Augenblick das Bedrückende, das sich bei Carols Worten zu verbreiten drohte, verwischte. Karl Nilpach klopfte sich auf die stattliche Brust: »Ich und noch nicht einmal niesen! So was.«
    »Na weißt du«, Gela ging auf den Frotzelton ein, »der

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