Expedition Mikro
Kontroverse mit Mexer einschätzte. Res fühlte, daß bei ihr die Meinung eines solchen Mannes Elan oder Resignation auslösen könnte.
Gleichzeitig gewahrte sie jedoch bei diesem Gedanken, daß sie sich doch – und nur selten gestand sie es sich ein – in der jüngsten Zeit reichlich oft mit diesem Problem beschäftigte.
Es wird Zeit, dachte sie, daß ich bald bei den Kindern bin, die verscheuchen das, die Racker.
Res strich sich über die Stirn. Dann wandte sie den Kopf und blickte auf ihren Begleiter. Auch er war in seinem Sitz zusammengesunken und hielt die Augen geschlossen. Res lächelte.
Ein wenig viel gewesen, dachte sie.
Sie spürte auch Müdigkeit. Es war weniger eine augenblickliche, eine, die einen nach einer Nacht mit wenig Schlaf und einem Tag schwerer Arbeit befällt. Vielmehr war es jene, die man erst nach längerer Zeit wahrnimmt, die kommt, unmerklich zunächst, wenn die Umgebung, der Gegenstand, mit dem man zu tun hat, in ein kreisendes Gleichmaß verfällt, eine Müdigkeit auch, die aus der Diskrepanz heraus erwächst zwischen dem, was man könnte oder müßte, und dem, was man vermag oder darf. Res spürte auch die Gefahr: Hatte sie den Punkt, jene Weggabelung erreicht, die auf der einen Seite über eine Durststrecke hinweg zu neuer schöpferischer Tätigkeit und zu neuer Lust am Denkspiel führte, auf der anderen Seite jedoch zu jener trägen Zufriedenheit, die Menschen hervorbrachte, die auf ihrem Platz das gaben, was eben dieser Platz erforderte, aber keinen Deut mehr, die nahmen, was ihnen zustand, die im Grunde genommen erhalten, aber nicht erstreben? Lag an diesem Scheideweg der Schlüssel zu dieser mißlichen Zeiterscheinung? fragte sich Res.
Einen Augenblick lang dachte sie an jenen Hal Reon. Mit diesem Gedanken wich die gedrückte Stimmung, die in ihr im Bunde mit der Müdigkeit Boden zu gewinnen drohte. Dieser Hal und auch Gwen, der Gefährte Evs, und Ev schließlich selbst und du, Marc Carpa – auch wenn du jetzt schläfst – und deine Jungs von jenem merkwürdigen Strom, ja, und ich, auch ich, wir sind schon auf dem rechten Pfad – ich vielleicht gerade auf der Durststrecke. Res lächelte abermals. Wir sind eine Handvoll aus Millionen!
Sie räkelte sich. Zu schade, daß dieser Gwen nicht dagewesen war. Res spürte, daß gerade auch in dieser Frage die Meinung eines Außenstehenden ihr viel bedeuten würde. Aber – ich schaff das auch allein mit meinen Jungs!
Res blickte nach unten. Die Stadt war näher gerückt. Unten, hinten zwischen den Kronen der Bäume Einzellenhäuser. Träge perlte das Wasser an den Seilen der Tragenetze, über die der Gleiter in nur geringe m Abstand hinwegflog.
Der Regen an der Scheibe verwusch die Konturen der Häuser. Alles sah klamm und unfreundlich aus, trotz der hellen Farben und dem Grün. Nicht gerade geeignet, dachte Res, in eine bessere Stimmung zu geraten.
Aber – Res richtete sich vollends auf. Weshalb regnete es eigentlich? Doch eine verdammte Schlamperei!
Sie drehte sich um, blickte nach hinten. Der Stadtrand war doch lange überflogen! Vor dem Gleiter stand ein grauer, wattiger Himmel. Es schien, als wolle die Sonne überhaupt nicht mehr hervortauchen.
»Marc«, rief Res verhalten.
Der Mann neben ihr schlug die Augen auf, sah sich ein wenig verwirrt um, fuhr mit den Fingern ordnend durch die kurzgehaltenen krausen Haare und fragte: »Was ist das für ein Mist?« Er wies mit einer umfassenden Handbewegung nach draußen. »Wie können sie es denn am hellen Tag regnen lassen?« Er richtete sich auf. »Ich denke, die haben hier Lokalregelung?«
»Warte mal«, sagte Res. Sie drückte die Taste des örtlichen ZENTIN. Eine Weile flatterte das Besetztzeichen über die Leuchte.
»Aha, da fragen noch mehr«, spöttelte Res.
»Bitte«, meldete sich dann unvermittelt der Computer.
»Warum regnet es bei euch am hellichten Tag?« fragte Res spitz.
»Impulsgeber ausgefallen«, erläuterte der Zentralinformator lakonisch.
»Na und? Konntet ihr da nicht einmal auf den Regen verzichten?« Res spürte Lust, sich mit der Maschine anzulegen.
»Kondensationsfeld war bereits wirksam geworden«, fuhr der ZENTIN gleichmütig fort.
»Aha – und da sollen wir jetzt den schönen freien Tag unter euren Dächern verplempern!«
»Kann ich nicht beurteilen«, antwortete der Computer.
»Natürlich nicht!« fauchte Res.
Marc Carpa lachte. Ihn amüsierte Res’ Streit mit der Elektronik. Seine ebenmäßigen Zähne strahlen aus dem dunkel getönten
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