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Expedition Ra - Mit dem Sonnenboot in die Vergangenheit

Titel: Expedition Ra - Mit dem Sonnenboot in die Vergangenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thor Heyerdahl
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auf Papier, Holz, Ton und Stein -, und wir vergessen, daß sie ihre hieroglyphischen Berichte mit realistischen Bildern illustrierten. Die Olmeken, die vor Christus Denkmäler mit eingemeißelten Jahreszahlen errichteten, leisteten fast Übermenschliches, um der Nachwelt in Riesensteinen Abbilder von zwei sehr unterschiedlichen Menschentypen zu hinterlassen. Auch wenn ihre Bildnisse bis ins kleinste Detail meisterhaft realistisch sind, geben sie doch keinen heute lebenden Indianertypus wieder. Der eine Typ ist ausgeprägt negroid, mit rundem Gesicht, wulstigen dicken Lippen und flacher, breiter, kurzer Nase; in der Umgangssprache nennt man ihn »Baby-Gesicht«. Der andere Typ hat ein markantes, scharfes Profil mit hervorstehender, krummer Nase, kleinem Mund mit schmalen Lippen; oft trägt er einen Schnurr- oder Spitzbart -oder einen langen, wallenden Vollbart. Ihm haben die Archäologen scherzhaft den Namen »Onkel Sam« gegeben. Onkel Sam wird meistens mit majestätischer Kopfbedeckung, fußlangem Gewand, Gürtel und Sandalen dargestellt. Dieser stark semitisch wirkende Typ, der oft einen Wanderstab in der Hand hält, ist so weit südlich von dem Gebiet der Olmeken abgebildet, wie die Legenden vom weißen Mann verbreitet sind. Diesen Typus haben sich moderne religiöse Sekten oft für ihren Glauben an »Israels verlorenen Stamm« und das »Buch Mormon« angeeignet. Eine Statue des Kulturträgers Kon-Tiki-Viracocha nördlich vom Titicacasee in Peru wurde von den Spaniern mit St. Bartholomäus verwechselt, und ihm zu Ehren gründete man einen Mönchsorden, bis das Mißverständnis aufgeklärt und die Bildsäule des Kulturbringers mit seinem zwanzig Zentimeter langen Steinbart zerschmettert wurde.
    Der negroide Typ der Olmeken wirkt dagegen kriegerisch und primitiv, er wird oft bei grotesken Tänzen bucklig und gekrümmt dargestellt; oder als kugelförmiger Steinkopf, der frei auf der Erde liegt und trotzdem so groß ist, daß er bis zu fünfundzwanzig Tonnen wiegen kann. Wer war »Onkel Sam« und sein Gefährte »Baby-Gesicht«? Wer von ihnen war Olmeke? Keiner. Den Namen »Olmeke« haben wir Heutigen erdacht, eben weil wir gar nicht wissen, wer sie waren.
    Die Olmeken konnten schreiben. Sowohl Azteken als Maya lernten die Schreibkunst von ihnen, obwohl sie ganz andere Hieroglyphen schrieben, so daß ein mexikanisches Volk das andere nicht verstehen konnte. Schreiben lernen ist leicht, aber es ist nicht leicht, eine Schrift zu erfinden. Die entscheidende Leistung liegt in der Entdeckung, daß man Worte in lautlose Symbole umsetzen kann, die sich festhalten lassen. Wenn man diese Möglichkeit erfaßt hat, ist es einfach, neue Zeichen, Buchstaben, Runen, Keile oder Hieroglyphen zu erfinden. Im Mittelmeergebiet gab ein Volk die Erfindung der Schrift an das andere weiter. Haben die Olmeken ganz allein die Schreibkunst an der Küste des Golfs von Mexiko erfunden? Die Erfindung des Papiers ist kaum eine natürliche Folge der Erfindung der Schrift. Nichtsdestoweniger stellte die Urbevölkerung von Mexiko Papier zum Schreiben her. Nicht aus gemahlener Holzmasse wie wir, sondern nach dem gleichen Rezept, das bei den alten Ägyptern und Phöniziern zur Papyrusherstellung verwendet wurde. Sie nahmen Schilf und andere Fasergewächse, klopften sie zuerst, weichten sie ein, reinigten sie von schwimmendem Zellgewebe und hämmerten dann mit Spezialkeulen die nassen Fasern kreuz und quer in mehreren Schichten. Die Kunst, auf diese Weise richtiges Papier herzustellen, ist so kompliziert, daß das moderne Papyrusinstitut in Kairo mehrere Jahre experimentierte, ehe es kürzlich Hassan Ragab tatsächlich gelang, die Papyrus-Produktion des Altertums zu kopieren. Dagegen hatten die mexikanischen Indianer diese Kunst bis zur Perfektion erlernt, ehe die Spanier kamen, und wie die alten Phönizier produzierten sie Bücher. Ihre Bücher, von den Spaniern Codex genannt, hatten keine aufgeschnittenen Seiten wie in Europa, sondern waren zusammenfaltbar; das ganze Buch konnte, wie die ägyptischen Papyrusrollen, zu einem einzigen breiten Band auseinandergezogen werden. Der Text war mit Hieroglyphen geschrieben und, wie die ägyptischen Papyrusrollen, verschwenderisch mit kolorierten Strichzeichnungen illustriert. Diese Bücher berichten -unter anderem - in Wort und Bild über die bärtigen Männer.
    Während im Norden und Süden Tausende von Indianerstämmen bis zur Ankunft der Europäer noch in tiefer Steinzeit lebten, begannen ihre Dschungel- und

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