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Expedition Ra - Mit dem Sonnenboot in die Vergangenheit

Titel: Expedition Ra - Mit dem Sonnenboot in die Vergangenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thor Heyerdahl
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genau war, wenn sie ihn auf gut Glück beginnen ließen, als ihre Vorväter Barbaren waren und — soviel wir wissen - nicht einmal die Olmeken ihre astronomischen Beobachtungen in Amerika begonnen hatten? Wir kennen keine Antwort. Wir wissen nur, daß die Zeitrechnung der Maya 4 Ahau 2 Cumhu begann, das ist der 12.August 3113 v.Chr. Wir wissen auch, daß sowohl sie als auch ihre mexikanischen Verwandten, die Azteken im Hochland, schriftliche und mündliche Überlieferungen darüber besaßen, daß die höhere Kultur nach Mexiko kam, als ein weißer, bärtiger Mann, der von der Sonne abstammte, mit einem Gefolge von Schriftgelehrten, Astronomen, Architekten, Priestern und Musikanten im Golf von Mexiko an Land ging. Die Maya nannten ihn Kukulcan , die Azteken Quetzalcoatl , beides bedeutet »Geflügelte Schlange«. Wer diesen sonderbaren Namen erdachte, wissen wir nicht. Eine geflügelte Schlange, oft von enormen Dimensionen, ist auch in Ägypten auf einige Pharaonengräber und auf viele Papyrusmanuskripte gemalt. Eine Mischung von Vogel und Schlange als Göttersymbol auf beiden Seiten des Atlantiks ist vielleicht nicht so merkwürdig, weil Raubvogel, Schlange und Katze die drei besonderen Symbole für die Person des Sonnenkönigs in Mesopotamien, Ägypten, Mexiko und Peru waren. Gerade in diesen Ländern waren Kopfschmuck und Embleme des Sonnenkönigs mit Köpfen und oft mit ganzen Bildern dieser drei Tiere versehen. Nicht weniger wichtig waren in Mesopotamien und Ägypten die Vogelmänner, die den Sonnenkönig und den Sonnengott in symbolischer Darstellung umgeben. Sie kehren in Mexiko und sehr häufig in Peru wieder, wo sie genau wie in Ägypten als Menschen mit krummschnäbligen Vogelköpfen abgebildet sind, die oft dem Sonnenkönig helfen, wenn er an Bord seines sichelförmigen Schilfbootes reist. Von Peru gelangten die Vogelmänner auf die Osterinsel, wo sie auch mit Schilfbooten abgebildet wurden. Aber nicht immer schreibt man es solchen symbolischen Phantasiegebilden zu, die Kultur ins tropische Amerika gebracht zu haben. Ganz normalen Menschen wird diese Ehre von den Maya, Azteken und Inka zuteil. Sie unterscheiden sich von den meisten Indianern nur dadurch, daß sie Schnurrbarte, Bärte und weiße Haut besitzen. Sie kamen nicht geflogen, sondern mit Umhang, Stab und Sandalen durch den Urwald gewandert und lehrten die Urbevölkerung schreiben, bauen, weben und die Sonne als oberste Gottheit anbeten. Die ältesten Geschichtsschreiber Amerikas folgen ihnen von ihrer ersten Landung am Golf von Mexiko bis in das Hochland der Azteken und auf die Dschungelhalbinsel der Maya, weiter durch den Tropenwald nach Süden, durch Mittelamerika. Die Indianer im ganzen Inkareich von Ecuador bis Peru und Bolivien berichten genau das gleiche: Die Kultur erreichte sie durch weiße, bärtige Männer, die sich unter der Führung des Sonnenkönigs Kon-Tiki-Viracocha zuerst auf der Sonneninsel im Titicacasee niederließen. Später kamen sie von dort auf einer ganzen Flottille von Schilfbooten angesegelt, um an Land zu gehen und die Sonnen-Pyramide, die megalithischen Mauern und alle Monolithe in Menschengestalt zu bauen, die noch unter den Überresten der Ruinenstadt Tiahuanaco zu finden sind. Zwietracht mit kriegerischen Stämmen trieb diese ersten Kulturträger schließlich nach Norden über Cusco zum Hafen Manta, bei dem der Äquator Ecuador kreuzt. Hier änderten sie den Kurs direkt nach Westen und verschwanden wie »Schaum auf dem Wasser« über dem Pazifik - daher der Beiname Viracocha , den man auch später den seefahrenden Spaniern und allen anderen weißen Männern gab.
    Wir brauchen hinter diesen Legenden nicht unbedingt eine Wahrheit zu vermuten, aber in diesem Fall bestünde eine um so merkwürdigere Kulturparallele; bartlose Indianer mit rabenschwarzen Haaren kommen auf die Idee, Männer mit Bärten, heller Haut und blonden Haaren als Skulpturen darzustellen, zu malen und zu beschreiben, wie wir es in den ägyptischen Gräbern und auf historischen Illustrationen in Marokko und auf den Kanarischen Inseln vorfinden. Wir glauben an die unübertroffene Steinmetzkunst und das astronomische Wissen der Urwaldindianer, weil es nicht wegdiskutiert werden kann, aber wir weisen ihre vererbten Erinnerungen zurück, teils, weil sie mit einem uns fremden Götterglauben durchsetzt sind und teils, weil wir nur an das geschriebene Wort glauben. Wir vergessen, daß die alten mexikanischen Kulturvölker eine Schrift hatten - sie schrieben

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