Expedition Ra - Mit dem Sonnenboot in die Vergangenheit
begrenzten Gebiet von Mesopotamien und Ägypten bis zur Sonnenstadt in Marokko. Die Olmeken am Golf von Mexiko, die reichlich Holz und Adobe besaßen, zogen weit durch das Sumpfland, um einen soliden Berg zu suchen, der sich als Steinbruch eignete. Fast tausend Jahre vor Christus beförderten sie bis zu 25 Tonnen schwere Steinblöcke 100 Kilometer durch Dschungel und Sumpfland zu einer Tempelstätte am Golf, wo sie bereits genug Adobeblöcke angefertigt hatten, um eine nach der Sonne ausgerichtete, stufenförmige Pyramide von 30 Metern Höhe zu bauen. Wer kam vor dreitausend Jahren in Europa auf die Idee, Bauwerke in der Höhe eines zehnstöckigen Hauses zu errichten? In Ägypten war der Drang, der Sonne stufenförmige Adobepyramiden zu errichten, längst erloschen, als die Olmeken auf diese Idee kamen. Aber in Kleinasien, dem Hinterhof der Phönizier, wurde die Sonne in Tempeln auf der Spitze von Zikkurat- Pyramiden immer noch angebetet, und letzten Endes teilen sie - und nicht die ägyptischen Gizeh-Pyramiden - alle fundamentalen Eigenschaften mit den olmekischen und den vor der Inkazeit gebauten Tempelpyramiden in Amerika.
Die Dschungelindianer am Golf von Mexiko erlernten ferner vor der Zeitenwende in Rekordzeit alle Geheimnisse des Kalenders und sammelten ein astronomisches Wissen, das in der Alten Welt jahrtausendlange Studien erfordert hatte. Über Ägyptern, Babyloniern und Assyrern, die auf offenen Ebenen und in Wüstenland lebten, dehnte sich in den meisten Nächten des Jahres der ganze Sternenhimmel. Die Phönizier ernteten die Früchte dieses uralten Kulturerbes, das es ihnen erlaubte, ohne Land in Sicht zu navigieren. Wieso konnten die Urwaldindianer denn alle einholen und im großen Wettlauf siegen, wenn sie zwischen regentropfenden Riesenbäumen lebten und manchmal nicht die eigene Hand vor Augen sahen? Dennoch hatten diese Urwaldindianer ein genaueres astronomisches Kalenderjahr als die Spanier, die sie »entdeckten«. Noch heute ist unser Gregorianischer Kalender nicht so genau wie jener, den die Maya-Indianer vor Kolumbus am Golf von Mexiko verwendeten. Sie hatten errechnet, daß ein astronomisches Jahr aus 365,2420 Tagen bestand, und das ist in 5 000 Jahren nur ein Tag zuwenig, während unser Kalender mit einem Jahr aus 365,2425 Tagen rechnet, und das sind in 5 000 Jahren anderthalb Tage zuviel. So rasch und einfach war das nicht herauszufinden. Die Maya-Berechnung der Jahresdauer war folglich 8,64 Sekunden genauer als unser moderner Kalender. Ihre älteren Nachbarn, die ihren Sonnenkönig in der regentropfenden Steinpyramide von Palenque bestattet haben, hinterließen die Inschrift, 81 Monate seien 2392 Tage, was einem Monat von 29,53086 Tagen entspricht und nur um 24 Sekunden von der Wirklichkeit abweicht.
Die Maya erhielten die Grundlage ihres ganzen astronomischen Wissens von den noch älteren Olmeken an der Küste, die schon vor Christus genaue Jahreszahlen in ihre schönen Steinmonumente gehauen hatten. Damals besaß Europa keine Zeitrechnung. Der Nullpunkt der christlichen Zeitrechnung ist der 1. Januar des Jahres eins vor Christi Geburt. Der Nullpunkt der mohammedanischen Zeitrechnung ist das Jahr, in dem Mohammed von Mekka nach Medina flüchtete, nach unserem Kalender 622 n.Chr. Die buddhistische Zeitrechnung beginnt mit Buddhas Tod, etwa 544: v. Chr. Der Nullpunkt des uralten Mayakalenders fällt umgerechnet auf den 12. August 3113 v. Chr. Was begründet dieses sonderbar genaue Anfangsdatum? Niemand weiß es. Einige glauben, die Indianer hätten dieses Datum aus der Luft gegriffen, um irgendeinen Anfang für ihren Kalender zu haben, andere glauben, sie hätten zu irgendeiner astronomischen Konstellation zurückgerechnet, die lange eingetreten sein konnte, ehe die Kultur in Amerika zu blühen begann. In Ägypten entstand die erste Pharaonen-Dynastie zwischen dem Jahr 3200 und 3100 v. Chr., also in ähnlicher Zeittiefe wie der Kalender der Maya, aber soviel man weiß, existierte auf der amerikanischen Seite des Meeres so früh noch keine Zivilisation. Falls die Dschungelindianer vor mindestens 15 000 Jahren nach Mexiko kamen und bis einige Jahrhunderte vor unserer Zeitrechnung warteten, um dann plötzlich die verblüffende Zivilisation der Olmeken aufzubauen - warum begannen sie dann ihre Zeitrechnung in genau der Periode, in der die ältesten Zivilisationen der Welt in Mesopotamien, Ägypten und auf Kreta zu blühen begannen?
Warum erbten die Mayas einen Kalender, der auf die Sekunde
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