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Expedition Ra - Mit dem Sonnenboot in die Vergangenheit

Titel: Expedition Ra - Mit dem Sonnenboot in die Vergangenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thor Heyerdahl
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gegen die Mauer. Der stattlich gekrümmte neue Papyrussteert bekam den Stoß voll ab und bog sich wie eine Feder. Es tat in der Seele weh. Das Heck! Gerade das Heck mußte dieses Mal unverwundbar und vollkommen sein. Der Rumpf tanzte rücksichtslos auf den Wellenkämmen bis dicht an die Steinmole. Keiner konnte das Boot in den Windstößen stoppen. Das Experiment war sichtlich beendet, ehe es begonnen hatte. Aber nein! Der harfenförmige Steert gab wie eine Stahlfeder nach, und das Schilfboot schnellte wie ein Gummiball von der Mauer zurück. Einmal. Zweimal. Ein Holzboot wäre zersplittert und untergegangen. Die Ra war unversehrt. Nur eine graue Schramme an der Außenhaut einiger goldener Stränge. Dann gelang es dem Schlepper, die Leine zu packen. Es gab nichts zu reparieren. Die Ra II folgte dem Schlepper unverdrossen am Tau zum Kai, wo der Schrägmast aufgerichtet werden sollte, während sie in den Windstößen nach links und rechts tanzte. Sie benahm sich wie ein Papierdrachen, der aufzusteigen versucht.
    Mir schauderte am Steuerruder, wenn ich an den Stapellauf zurückdachte. Aber gleichzeitig dachte ich daran, daß wir, würden wir jetzt im Dunst gegen Riffe und Klippen gespült, gute Aussichten hätten, unser Leben zu retten, ehe dieser Heuhaufen unterging. Er war so kompakt und solide, daß er sich in den Wellen nicht einen Zoll durchbog. Die Ra I hatte sich wie eine Seeschlange gewunden. Die Ra II war steif wie ein Baseball. An Bord waren alle von dem genialen Konstruktionsprinzip der Indianer beeindruckt. Die vollendeten Linien und die ausgeklügelte Weise, in der die Bauprobleme gelöst waren, standen in keinem Verhältnis zur übrigen irdischen Habe der Aymara-Indianer. Wenn auch ihre uralte Technik anscheinend unbemerkt an Laien und Gelehrten, die ihre fertigen Schilfboote gesehen haben, vorübergegangen ist, zeigten alle unsere Versuche, daß diese Methode als einzige ein Fahrzeug mit Zurrungen wie auf den Reliefs der alten Mittelmeerkulturen hervorbringen kann. Alle anderen Arten, den Papyrus in Bootsform zusammenzubinden, führten unweigerlich zu katastrophalen Folgen für die Reeps.
    Die vier schweigsamen Indianer, Demetrio, Jose, Juan und Paulino und ihr ebenso ruhiger bolivianischer Dolmetscher, Senor Zeballos, Assistent am Museum von La Paz, organisierten mit einer Handvoll marokkanischer Helfer meisterhaft den Bau der Ra II . Alle waren so schweigsam, daß ich ständig das Manuskript beiseite legen und aus dem Zelt schauen mußte, um festzustellen, daß der Bau zwischen den Palmstämmen tatsächlich zügig voranging, mit Handzeichen und leisem Grunzen auf aymara, spanisch und arabisch.
    Zuerst schichteten die Indianer lose Halme zu zwei unordentlichen Riesenrollen übereinander, die elegant in eine dünne Papyrusmatte eingewik-kelt wurden. Die Matte war so geflochten, daß sich sämtliche Endstücke nach innen bogen und flachgedrückt wurden. Ehe man die Taue anzog, waren die beiden zehn Meter langen Schilfzylinder so dick, daß man sie nur mit einem Gerüst besteigen konnte. In dem offenen Durchgang zwischen diesen beiden großen Rollen wurde nun eine viel dünnere, gleichlange Rolle angefertigt, an der die beiden großen festgebunden werden sollten. Dies geschah, indem man ein mehrere hundert Meter langes Tau zu einer kontinuierlichen Spirale wickelte, die zur gleichen Zeit die dünne Mittelrolle als auch eine der dicken äußeren Schilfrollen einschloß; und danach ein zweites Tau, das, ohne das erste zu berühren, in einer entsprechenden Spirale um dieselbe dünne Mittelrolle und die zweite dicke äußere Rolle führte. Wenn dann diese beiden unabhängigen Spiraltaue unter Aufbietung der vereinten Kräfte der Indianer angezogen wurden, kamen die großen Rollen immer näher an die kleine Mittelrolle heran, bis diese schließlich zwischen ihnen eingeklemmt und am Ende wie ein völlig unsichtbarer Kern in sie hineingezogen wurde, indem man die beiden großen Rollen an der Mittellinie dicht zusammenpreßte. Dadurch war ein unverrückbarer, kompakter, doppelzylindriger Schiffskörper ohne sich kreuzende Knoten oder Taue geschaffen, und man brauchte das Produkt nur noch nach demselben Prinzip zu verlängern, damit Bug und Achtersteven elegant zugespitzt in die Luft ragten. Schließlich wurde an jeder Seite des Decks ein wurstförmiges Bündel angebunden, um ihm Breite zu geben und die Wellen zu brechen. Dann banden wir zehn Querbalken zur Befestigung der leichten Korbhütte, die Pfähle für die

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