Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Expedition Ra - Mit dem Sonnenboot in die Vergangenheit

Titel: Expedition Ra - Mit dem Sonnenboot in die Vergangenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thor Heyerdahl
Vom Netzwerk:
die Experten zu Hause diesmal recht, die uns vierzehn Tage Schwimmfähigkeit zubilligten? Wir hatten tatsächlich zehn Tage lang freiwillig im Hafen von Sah am Kai gelegen, nur damit der Rumpf sich mit Wasser vollsog und wir mit dem leichten, ranken Fahrzeug, das ein so riesengroßes Segel trug, nicht kenterten. Heute waren vierzehn Tage vergangen. Die Hälfte der Papyrusrollen war bereits unter Wasser.
    »Werfen wir doch die beiden Schilfboote auf dem Vorderdeck über Bord«, schlug Norman vor. »Wir brauchen sie nicht als Rettungsboote, und diesmal führen wir ja ein aufblasbares Drei-Mann-Boot für die Filmaufnahmen mit.«
    Wir konnten gerade eine Flaschenpost an dem größeren Schilfboot anbringen, bevor eifrige Hände es in die See warfen. Das zweite verschwand so schnell über Bord, daß wir an ihm keine Flaschenpost mehr befestigen konnten. Lebt wohl! Sie schwammen wie Ballons seitwärts gen Land. Wir ahnten nicht, daß ein einsamer Wachposten am öden Strand der Sahara einige Tage später die Flaschenpost öffnen würde. Wir lagen tief und ließen uns von der Strömung parallel zum Land treiben.
    Ein großer Kartoffelsack ging über Bord. Kartoffeln kochen lange. Dann folgten zwei ganze Krüge mit Reis. Mehl. Mais. Zwei Säcke unbekannten Inhalts. Ein Spankorb. Besser hungern als sinken. Dann das meiste Korn für die Hühner. Ein großer Balken, Planken und Bretter zum Schienen und Reparieren. Noch mehr volle Krüge. Madani sah mich verzweifelt an. Kei fletschte die Zähne und starrte auf das Segel. Eine schwere Taurolle huschte über Bord. Ein Wetzstein. Ein Hammer. Georges' schwerer Eisenspeer, mit dem er das Boot reparieren sollte, verschwand in der Tiefe. Bücher und Illustrierte schwammen um uns herum. Bei einigen wurde nur der Buchdeckel abgerissen. Jedes Gramm zählte. Ich war halbwegs einverstanden, halbwegs verzweifelt dagegen. Wir hatten Tausende von Kilometern vor uns, waren gerade in See gestochen; für diese Fahrt brauchten wir Essen für Monate und Ersatzmaterial. Aber sie hatten recht. Wir sanken. Warum? Wie tief? Erst versuchte ich mir und dann den anderen einzureden, das Sinken würde aufhören, sobald genügend Papyrus unter Wasser war, damit der Auftrieb der schweren Ladung entsprach, die wir in aller Eile am letzten Tag vor der Abreise am 17. Mai an Bord gestapelt hatten. Heute war der 20. Mai. Wir sanken ebenso schnell weiter.
    Juri machte sich entschlossen daran, ein kleines Plankendeck, das wir auf dem Papyrus vor den Masten festgebunden hatten, aufzureißen. Es war so angenehm gewesen. Gestern hatten Santiago und Georges es als Bühne für einen lustigen Auftritt mit Clownerien und Sketchen benutzt; sie hatten uns damit köstlich unterhalten, als wir auf dem fast spiegelblanken Meer umhertrieben. Ich konnte ihn dazu überreden, einige der Planken an Bord zu lassen, damit wir darauf balancieren konnten, um nicht zwischen den beiden großen Papyrusrollen zu stolpern, wenn wir bei hohem Seegang wieder zu schlingern anfingen.
    Aber hinter der Hütte versteckt saßen andere und warfen unseren ganzen delikaten und fast gewichtslosen ägyptischen Karkade-Tee in die See. Und den Keramikofen mit unserer ganzen Holzkohle. Und kleine Päckchen mit Toilettenpapier und Gewürzen. Alles hilft.
    Es war beklemmend. Einige lachten freudlos. Andere blickten mit einer Mischung von Scham und Betrübnis drein. Es war besser, der Verheerung innerhalb kontrollierbarer Grenzen ihren Lauf zu lassen, als daß jemand das gefährliche Gefühl nicht loswurde, wir hätten nicht alles Mögliche getan, falls wir weiterhin sanken. Am gefährlichsten war es, wenn unser psychisches Gleichgewicht verlorenging. Aber dann flatterten die Hühner über Bord. Zwei Mann griffen zu Axt und Messer und wollten den ganzen Hühnerkäfig losschneiden und ihn ins Meer werfen. Ohne ordentlichen Primuskocher konnten wir das Federvieh nicht zubereiten. Nun war es an der Zeit, dem Wahnsinn ein Ende zu machen. Die Hühner segneten das Zeitliche, aber Georges setzte sich für eine Ente ein, die zu Safîs großem Ärger frei auf Deck umherspazieren und sie in das schwanzlose Hinterteil zwicken durfte, genau wie es Sindbad voriges Jahr getan hatte. Safî war um einige Zoll gewachsen, war aber sonst derselbe sorglose Schelm wie damals, als wir sie auf der Ra I als Maskottchen für die Reise an Bord bekommen hatten. Aus dem leeren Hühnerkäfig auf dem Vorderdeck zimmerte ich einen leichten Eßtisch, einige wollten ihn mit den Bänken in die

Weitere Kostenlose Bücher