Expedition Ra - Mit dem Sonnenboot in die Vergangenheit
sonst unbekannte und unnachahmliche Technik begann ich nun als eine Art Signatur zu betrachten, die dort in Stein gemeißelt war, wo einst Schilfboote benutzt wurden, von der Osterinsel, Peru und Mexiko, zurück zu den großen Zivilisationen im östlichen Mittelländischen Meer. Olmeken und Vor-Inkas beherrschten diese Technik bis zur Vollendung, ebenso wie die alten Ägypter und Phönizier, während Wikinger und Chinesen, Beduinen und Prärieindianer alle ebenso ratlos wie eine Versammlung moderner Gelehrter wären, wenn man ihnen eine Felswand zeigte und sie bäte, nach diesem Prinzip eine Mauer zusammenzufügen - selbst wenn man ihnen Werkzeug aus Stahl zur Verfügung stellte und sie nach dem Vorbild arbeiten könnten. Als ich zwischen den eingestürzten, halbbegrabenen Riesenblöcken der Sonnenstadt umherschlenderte und diese eigenartige Technik wiedererkannte, erschien es mir, als ob Amerika und das innere Mittelländische Meer einander näher auf den Leib rückten. Lixus band sie gleichsam zusammen und halbierte den Weg. Bis hierher waren viele Jahrhunderte vor Christus die Ausläufer des östlichen Mittelländischen Meeres gekommen. Hier fuhren gut ausgerüstete und wohlvorbereitete Kolonisten und Handelsleute in sicherem Abstand von den drohenden afrikanischen Klippen hin und zurück und weiter am gefährlichen Kap Juby vorbei, als bärtige Olmeken am entgegengesetzten Ufer des Atlantiks auftauchten und begannen, im Urwald Lichtungen zu roden, um Steinmetzkunst und Zivilisation bei den in der Wildnis umherstreifenden Indianerfamilien einzuführen. Hier an der Flußmündung hatte das Schilfboot in der klassischen Form überlebt - obwohl am Ufer verschiedene Hölzer zur Verfügung stehen. Der Meeresstrom saugt vor der Küste; derselbe, der uns nun zum zweiten Mal innerhalb eines Jahres gefangen hatte.
Ich gab dem schweren Steuerruder einen zusätzlichen Stoß seewärts, um mit größtmöglicher Wahrscheinlichkeit von den Klippen um Kap Juby wegzukommen. Wie viele Fahrzeuge hatten wohl in der ältesten Periode von Lixus wie wir gekämpft, um dort die gefährlichen Bänke zu umschiffen, wo Afrika südwärts zu den entferntesten phönizischen Kolonien unterhalb von Kap Bajador schwingt?
»Diesmal müssen die Steuerruder auf jeden Fall halten«, sagte ich lächelnd zu Carlo und streichelte den dicken Balken, mit dem ich backbord steuerte. Der andere, auf Steuerbord, war mit dicken Reeps festgebunden. Die dünnen Schäfte waren voriges Mal bei der ersten Begegnung mit den Meereswellen gebrochen und hatten die ganze Fahrt mit der Ra I zu einer reinen Driftfahrt werden lassen.
Der Papyrusrumpf war diesmal auch wesentlich stärker. Der Papyrus war wieder von den Quellen des Nil geholt worden, denn die spärlichen Vorkommen in Marokko, wo Ra II gebaut wurde, konnten unseren Bedarf nicht decken. Weder Abdullah noch ich konnten nach Bol am Tschadsee kommen, um Mussa und Omar zu holen; die Aufständischen hatten wieder in der Wüste zugeschlagen, und das ganze Gebiet war von französischen Fallschirmjägern abgesperrt. Die Technik aus dem Inneren Afrikas hatte sich über längere Zeit auf dem Meer auch nicht als stark genug erwiesen. Nach zwei Monaten war uns auf einer Seite das Schilf weggeschwommen, weil ein schwacher angestückelter Steert schon lange hinunterhing und die Wellen die Bambushütte wie eine Säge bewegten, bis die Tauketten wie Strickzeug aufgegangen waren. Ich hatte beschlossen, Schilfbootsbauer zu nehmen, die noch immer täglich solide Fahrzeuge in der altertümlichen Art bauen, das Heck ebenso hoch in die Luft gebogen wie der Bug. So bauten die Aymara- und die Quechua-Indianer in Bolivien und Peru immer noch ihre Schilfboote. Sie folgten auch den Bildern aus dem alten Ninive und Ägypten in einem anderen bemerkenswerten Detail. Ihre Taue sind aus einem Stück und laufen vom Deck unter den Boden des Schilfbootes. Das Fahrzeug besteht also, von der Seite betrachtet, aus einem einzigen massiven Bündel, während die Boote auf dem Tschadsee, ohne Heck, aus vielen kleinen Papyrusrollen bestehen, die aufeinander und nebeneinander mit Hilfe von kurzen, aneinandergeketteten Tauschlingen zusammengehalten werden.
Sonderbarerweise verwenden die Indianer in Südamerika eine Methode, die weit eher der Bautechnik des Altertums in den Ländern des Mittelländischen Meeres entspricht als jene, die im Inneren Afrikas überlebt hat. Vielleicht ist es so zu erklären, daß das Buduma-Volk am Tschadsee mit den
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