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Expedition Ra - Mit dem Sonnenboot in die Vergangenheit

Titel: Expedition Ra - Mit dem Sonnenboot in die Vergangenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thor Heyerdahl
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Brücke und Fußklötze für den schweren Schrägmast fest. Die Ra II war fertig: zwölf Meter lang, fünf Meter breit, zwei Meter dick. Die vier Meter lange und 2,8 Meter breite Hütte war für acht Personen maßgeschneidert, wenn wir zu viert, in Mumienstellung ausgestreckt, Fuß an Fuß lagen. Die Ra II war nicht nur drei Meter kürzer als die Ra I , auch ihr Querschnitt war runder und schlanker. Ich dachte besorgt daran, daß fast ein Drittel des Papyrus ungenutzt auf dem Bauplatz zurückblieb. Aber weder Geld noch gute Worte waren imstande gewesen, unsere Aymara-Freunde dazu zu bewegen, noch ein einziges Schilf, ein einziges Tagewerk für das Boot zu verwenden. Dies war das absolute Maximum, das sie bewältigen konnten, und sie wollten spornstreichs heim zu ihren Frauen auf den Titicacasee.
    »Gute Fahrt und Willkommen auf der Suriqui-Insel«, sagte Demetrio freundlich und griff zur Zipfelmütze, als die Mauer einbrach und ihr Bauwerk verschwand.
    »Auf der Suriqui-Insel?« fragten wir.
    »Ja, wenn ihr auch nicht zu unserer kleinen Insel kommen werdet, dann-heiße ich euch zumindest am Titicacasee willkommen.«
    Geographie war sichtlich nicht die starke Seite der Aymara-Indianer. Sie waren sich nicht im klaren, daß sie die Ra II auf der anderen Seite des Atlantiks gebaut hatten und von einem See heruntergekommen waren, der viertausend Meter über dem Meeresspiegel liegt. Aber sie konnten ein Schilfboot so vollendet bauen, daß kein Ingenieur, kein Modellbauer, kein Archäologe unserer modernen Welt es ihnen nachmachen konnte.
    »Steif wie ein kompakter Holzklotz«, sagte Carlo. Wir atmeten beide erleichtert auf, nachdem ein hell erleuchteter Frachter direkt an uns vorbeigedampft war, ohne uns in den Grund zu bohren. »Steif wie ein Holzklotz, aber wir sinken«, fügte er hinzu.
    »Das gibt sich sicher, wir haben im Verhältnis zu der Papyrusmenge unter Wasser zu viel geladen.«
    »Norman meint, wir hätten den ganzen Papyrus mit Erdpech anstreichen sollen, wie es in der Bibel steht.«
    »Nicht notwendig, nur das abgeschnittene Ende saugt Wasser. Deswegen haben wir diesmal die Enden der meisten Rohre zwei Zentimeter tief in Erdpech getaucht.«
    Aber in der Tat begann auch ich zu überlegen, ob wir nicht doch das ganze Fahrzeug mit einer dicken Schicht Erdpech hätten anstreichen sollen. Dann wären wir keinen Zentimeter gesunken. Vielleicht hatten die alten Ägypter die Innenseiten der sichtbaren Schilfmatten bestrichen, denn sonst wären wohl die Schilf boote auf den Wandmalereien schwarz wiedergegeben worden, nicht grün und gelb.
    Mehrere Pfarrer hatten mir nach der Fahrt mit der Ra I geschrieben und darauf hingewiesen, daß nach der Bibel die Arche Noah mit Erdpech getränkt worden wäre. Und die Mutter von Moses hatte für den Papyruskorb, in dem sie ihren Sohn auf dem Nil aussetzte, ebenfalls Erdpech benutzt. Die Idee war kaum aus der Luft gegriffen. Erdpech lag offen zutage und war im alten Ägypten und in Kleinasien eine alltägliche Gebrauchsware. Nichtsdestoweniger hatten wir bei der Ra I gesehen, daß Papyrus auch ohne Erdpech schwimmt, solange die Taue halten. Die Taue. Für die Ra I hatten wir viel dickere Reeps verwendet, und Mussa und Omar hatten Hunderte von kurzen, nicht zusammenhängenden Schlingen geknüpft, die auch hielten, wenn andere durchgescheuert wurden. Auf den ersten Blick wirkte die Tauzurrung der Indianer völlig absurd. Sie hatten nur ein einziges zusammenhängendes dünnes Tau spiralenförmig von Bug bis Achtersteven benutzt. Obendrein hatten sie es glatt abgelehnt, ein Tau zu benutzen, das dicker als 14 mm war. Sie sagten, auf diese Weise würde das Tau gleichmäßiger gespannt werden, und selbst wenn es riß, würde die Zurrung doch nicht aufgehen, weil nasser Papyrus das Tau festklemmt. Konnten wir uns darauf verlassen? Auf wen sollten wir uns sonst verlassen? Alle an Bord waren sich im klaren, daß dies ein neues Experiment war. Wir hätten noch einmal die Tschad-Methode mit den notwendigen Verbesserungen verwenden können; dann wären wir nicht dieser neuen Ungewißheit ausgesetzt gewesen. Der verhängnisvolle Bogenstrang vom Schwanzkringel bis auf das Deck hinter der Hütte war angebracht, und wir hatten die Ladung in Lee konzentriert, aber sonst war die Ra II voller Unwägbarkeiten. Wir fürchteten nicht nur, daß das dünne Tau, das uns als einziges zusammenhielt, in den gewaltigen Wellen brechen könnte. Denn während die Ra I bequem wie eine Matratze auf dem Wasser lag,

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